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Darüber hinweg

  • Autorenbild: Franzi C
    Franzi C
  • 6. Dez. 2024
  • 3 Min. Lesezeit

Wenn man eine Therapie beginnt oder sich auch einfach selbst mit einem schweren Thema beschäftigt, wünscht man sich am liebsten, dass alles schon vorbei wäre. Man will einfach nur wieder glücklich sein. Manchmal liegen die Themen einem auch so schwer auf der Brust, dass es einem nur noch schlecht geht und sich nicht mehr sicher ist, ob dieser Zustand jemals vergeht. Dieser Text ist für alle, die gerade zweifeln und die vor lauter Trauer, Enttäuschung, Hass, Wut oder kompletter Gefühlslosigkeit das Licht am Ende des Tunnels nicht mehr sehen können.


Wie eben schon erwähnt, hätte ich vor ein paar Jahren nicht gedacht, dass ich das Geflecht aus unbewältigten Problemen und tiefsitzenden schädlichen Verhaltensmustern jemals entknoten kann. Daran zu rütteln und zu hoffen, dass der Knoten sich so schnell auslöst, bringt leider nichts. Man muss sich jeden Faden einzeln ansehen und zurückverfolgen, wo er herkommt, und nachsehen, ob vielleicht ein anderer Knoten im Weg liegt, um den man sich vorher noch kümmern muss. Manchmal löst sich nach einiger Zeit der harten Arbeit der eine Faden. Manchmal hat man aber auch Glück und die Entknotung des einen Fadens entwirrt parallel auch noch einen anderen Faden, den man gar nicht im Blick hatte. Natürlich hatte ich manchmal auch das Gefühl, dass die Fäden immer länger und immer mehr werden oder dass ein Faden, der eigentlich schon entknotet war, auf unerklärliche Weise einen neuen Knoten bekommen hat. Aber auch das gehört dazu. Es gibt eben keinen einfachen und schnellen Weg aus der Misere - zumindest keinen nachhaltigen. Wenn man auf der Arbeit einen Stapel mit Papierkram erledigen muss, verschwindet der ja auch nur, wenn man ihn bearbeitet. Man kann natürlich in den Stapel ignorieren, in ein anderes Büro gehen oder Urlaub nehmen, aber dadurch verschwindet die Arbeit eben nicht.


Die harte Arbeit lohnt sich. Auch wenn sie manchmal frustrierend sein kann. Aber das liegt eben in der Natur dieser Arbeit, dass sie niemandem Spaß macht. Dafür ist es umso schöner, wenn man einen Teil oder sogar alles davon abgearbeitet hat. Das Schöne ist, dass diese Arbeit - im Gegensatz zum Papierkram auf der Arbeit - nicht mehr wiederkommt, wenn sie einmal abgearbeitet ist. Es kommen neue Probleme und neue Krisen, aber die alten verschwinden endgültig im Archiv.


Aber was hat mich durch die Momente der Hoffnungslosigkeit gebracht? Ich bin froh, dass ihr fragt. Es war eine Mischung aus Freundinnen, die versucht haben, mir glaubhaft zu versichern, dass am Ende des Tunnels tatsächlich ein Licht ist, und der Tatsache, dass es mir nach all der Arbeit unmöglich schlechter gehen kann als vorher. Und selbst wenn es mir nach der Arbeit noch genauso ginge, kann ich mir dann zumindest nicht vorwerfen, dass ich nicht alles versucht hätte. Ich hatte also nichts zu verlieren. Und all die Zeit hatte ich das leise Gefühl, vielleicht war es auch Hoffnung, dass meine Freundinnen Recht hatten.


Und sie hatten ja auch Recht. Und ich habe auch wirklich nichts verloren, sondern nur gewonnen, nämlich die Macht über mein Leben, meine Vergangenheit und mein Handeln.


Wie schön es ist, darüber hinweg zu sein. Wie schön, wenn die Hoffnungslosigkeit und die Ohnmacht immer kleiner wird. Wie schön, dass die Menschen, die mir mal am wichtigsten waren, aber mir auch unendlich viel Leid zugefügt haben, jetzt kaum mehr Platz in meinem Leben einnehmen, als dieser Text in meiner Cloud. Manchmal ist es, als wäre alles nur ein böser Traum gewesen. Als wäre meine Vergangenheit wie ein schlechter Film - anstrengend, aber irgendwie nicht real und mit Abstand lässt sich sogar eine gewisse Komik erkennen.


Wie befreiend es ist, wenn das Thema, was mir so sehr Angst gemacht hat, dass es wie eine dunkle Gewitterwolke über mir schwebte und mich überall hin verfolgte, jetzt höchstens noch so beängstigend ist wie eine dicke Spinne an der Wohnzimmerwand. Wie schön es ist, wenn es mir wieder schlecht geht, ohne dass meine Vergangenheit daran Schuld ist. Wenn es mir gut ging, hatte das ja sowieso nie mit meiner Kindheit zu tun. Wie schön es ist, endlich im Moment zu leben. Wenn nicht durch die einfachsten Dinge eine Kaskade an Negativität aus meiner Kindheit ausgelöst wird und sich mein Umfeld nicht wundern muss, warum ich denn jetzt so seltsam reagiere. Wie erleichternd es ist, die Menschen in meinem Umfeld endlich klar sehen zu können, ohne die Verzerrung durch meine eigenen Ängste und Probleme.


Für all das ist die - wie ich mittlerweile weiß - begrenzte Zeit der Hoffnungslosigkeit fast schon ein fairer Preis. Auch wenn ich den Preis verständlicherweise nie wieder zahlen will.

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