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Die wahren Monster

  • Autorenbild: Franzi C
    Franzi C
  • vor 4 Tagen
  • 5 Min. Lesezeit

Die meisten Menschen haben Angst vor fremden Menschen. Vor den (oft männlichen) Unbekannten, dem wir auf der Straße oder abends im Park begegnen. Dabei sind das gar nicht die, die wirklich gefährlich für uns sind. Denn die meisten von uns gehen den Typen auf der Straße bewusst aus dem Weg und in den Park gehen wir entweder gar nicht oder nur in Begleitung.


Warum passieren uns also trotzdem ständig schlimme Dinge? Menschen mit einer schlechten Kindheit oder aus einer toxischen Freundschaft/ Partnerschaft haben nicht etwas Schlimmes erlebt, weil jemand Fremdes gemein zu ihnen war. Im Gegenteil, sie wurden von denen verletzt, die ihnen am nächsten standen: Von ihren Eltern, ihrer Familie, ihren Freundinnen oder ihren Partnern. Und dafür gibt es einen Grund. Sie können es einfach am besten. Ich spreche da aus Erfahrung.


Keine Angst, das hier ist kein verbitterter Text darüber, dass man niemandem mehr trauen kann und wir alle besser alleine bleiben sollten. Was ich meine ist, wir reden hier über die zwei Seiten ein und derselben Medaille. Die, denen wir am meisten vertrauen, haben eben auch die meisten Gelegenheiten, uns die größten Verletzungen zuzufügen. Denn kennen unsere Schwächen und bei ihnen passen wir weniger auf.


Im Idealfall müssen wir das ja auch gar nicht. Wenn wir jemanden an uns heranlassen, dann ist das vielleicht eine Person, die wir über eine Zeit lang gut kennengelernt haben. Wir wissen, dass sie auch zu Kellnern nett ist und die Rechnung immer fair aufteilt, dass sie immer ein Glas Wasser zu ihrem Espresso trinkt, dass sie Probleme ruhig und respektvoll mit uns bespricht, dass uns mit ihr nie die Gesprächsthemen ausgehen und dass sie alles, was wir ihr erzählen, für sich behält. So eine Person hat sich unser Vertrauen dann hart erarbeitet, sodass wir nicht mehr so sehr aufpassen und in ihrer Anwesenheit entspannter werden.


Aber manchmal können wir uns diese Person gar nicht aussuchen. Manchmal sind es die eigenen Eltern, die Nachbarn, Freundinnen der Familie, Lehrkräfte oder Mitschüler. Manchmal sind wir auch so überzeugt davon, dass ein Partner perfekt zu uns passt, dass wir gar nicht darauf warten, dass er/sie sich unser Vertrauen erarbeitet. Dann sind wir uns sicher, dass sie uns nie schaden würden. Warum sollten wir auch davon ausgehen, dass sie uns verletzen, wenn deren eigentliche Aufgabe doch ist, uns zu lieben und zu beschützen? Und wäre die Rollenverteilung umgekehrt, würden wir doch alles dafür tun, damit sie sich sicher und geliebt fühlen.


Aber das ist nicht das einzige Problem. Eine weitere Illusion ist, dass böse Menschen immer so offensichtlich bösartig sind, wie man es immer in Filmen sieht. Sie tragen dunkle Klamotten, sehen schon von weitem böse aus und, wenn man mit ihnen spricht, merkt man schon nach fünf Minuten, dass sie für alles Schlechte in der Welt verantwortlich sind. Aber auch das stimmt nicht.


Um die Psyche eines Menschen nachhaltig zu zerstören, brauch es kein großes, lautes Orchester. Das geht über Jahre hinweg mit sehr subtilen, kleinen Gesten. Manchmal ist es nur ein Wort, ein Blick oder eine Grenze, die Schritt für Schritt verschoben wird, bis man sie irgendwann selbst gar nicht mehr sieht oder wahrnimmt. Die Person verhält sich immer wieder auf dieselbe Art und Weise, bis wir glauben, ihr Verhalten wird von uns ausgelöst. Und irgendwann glauben wir dann, wir wären dumm, nervig, zu laut, zu leise, zu dick, zu dünn, zu faul oder alles zusammen.


Dann sind wir irgendwann überzeugt davon, dass wir nicht liebenswürdig sind und uns glücklich schätzen können, dass uns wenigstens diese eine Person liebt. Und im Glauben, dass wir niemand besseren als sie finden, bleiben wir bei ihr, verteidigen sie, wenn jemand schlecht über sie redet, und ertragen jedes noch so gemeine oder sogar gewalttätige Verhalten. Zwischen den Zeilen steht klar formuliert: „Ich kann dich nur lieben, wenn du dich so verhältst, wie ich es von dir verlange. Dafür musst du aber auch alles ertragen, was ich mit dir mache.“


Gewalttaten oder andere extreme Vorfälle kommen selten aus dem Nichts. Sie sind meist Teil einer komplexen, langwierigen Manipulation. In dem Moment, wo das Schlimmste passiert, stecken wir dann schon viel zu tief im Sumpf und kommen - wenn überhaupt - nur sehr schwer wieder alleine heraus. Das einzig Gute daran ist, dass, wenn wir erstmal wissen, auf was wir achten müssen, wir auch sehr früh bemerken können, dass eine Person nicht gut für uns ist, ohne darauf warten zu müssen, dass alles eskaliert.


Das Ganze sieht von außen wenig spektakulär aus. Der größte Teil der Manipulation passiert ja schließlich unter vier Augen. Das macht die Sache auch so verwirrend. Die Person ist zu anderen nett und hilfsbereit. Am Anfang ist sie zu uns ja auch noch so. Die Maske fällt dann erst nach und nach. Wenn man dann mit anderen darüber redet, dass die Person vielleicht doch nicht so nett ist, wie man anfangs dachte, hört man Sätze wie „Das hast du bestimmt falsch verstanden.“ oder „Das kann ich mir gar nicht vorstellen.“ oder auch „Aber zu mir war er immer höflich.“ Das ist so, als würde man über eine Lehrerin sagen: „Kann ja gar nicht sein, dass sie dir eine Sechs gegeben hat. Mir hat sie doch eine Eins gegeben.“ Das Eine schließt das Andere nicht aus.


Im Gegenteil, eine Person, der man schon von Weitem ansieht, wie böse sie ist, würde ja nie die Gelegenheit kriegen, jemanden zu manipulieren und zu verletzen. Also muss sie ja einen guten Eindruck machen, um überhaupt Zugang zu ihrem zukünftigen Opfer zu bekommen. Sonst würden alle einfach einen großen Bogen um die Person machen und häusliche Gewalt würde gar nicht existieren.


Diese Manipulation ist so mächtig, das sie sogar dann noch greift, wenn man den Partner verlassen hat, die Freundschaft beendet hat, den Job gekündigt hat oder aus dem Elternhaus ausgezogen ist. So eine tiefgreifende Manipulation ist wie Strom aus Windkraft: Sehr nachhaltig. Selbst wenn wir danach Menschen treffen, die uns immer wieder versichern, wie toll, schlau und total unnervig wir sind, können wir ihnen nicht so recht glauben. Denn wir sind so fundamental verunsichert, dass wir weder uns noch anderen vertrauen können.


Ich glaube, wir wissen alle, dass die wirklich gefährlichen Leute mitten unter uns sind. Es sind die netten Nachbarn, die gute Freundin und die sympathischen Eltern. Viele glauben dann, sie könnten alles auf die bösen Männer im Park schieben und seien dann sicher, wenn sie nie das Haus verlassen. Ganz nach der Gleichung: Freunde = gut und Fremde = böse. Aber so funktioniert das leider nicht. Manchmal sind unsere Freunde die Bösen und der fremde auf der Straße ist der Gute.


Am Ende finden wir nur heraus, wer wer ist, in dem wir ehrlich zu uns sind und die Menschen in unserem Umfeld beobachten, egal ob und wie lange wir sie bereits kennen. Denn auch jemand, den wir gut und lange kennen, kann sich daneben benehmen. Das ist kein Widerspruch, auch wenn es sich im ersten Moment anfühlt wie einer. Und wenn sich so jemand falsch verhält, ist das für uns viel gefährlicher als der komische Typ aus dem Park. Aber solange man sich die richtigen Menschen aussucht, bleibt die theoretische Gefahr, die von ihnen ausgeht, eben auch nur genau das: Theoretisch.

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