top of page

Ich will ein langweiliges Leben

  • Autorenbild: Franzi C
    Franzi C
  • 13. Juni
  • 3 Min. Lesezeit

In den letzten Monaten merke ich, wie schön ein ruhiges Leben sein kann. Seitdem sich mein Nervensystem beruhigt hat und meine Angststörung weg ist, ist vieles einfacher geworden. Und wenn ich so in die Zukunft sehe und mir überlege, was für ein Leben ich führen will, dann wird mir klar, ich möchte ein langweiliges Leben.


Aber wie komme ich darauf? Ich habe neulich gelesen, dass Menschen, deren Leben durch ihre Eltern oder Partner unnötig dramatisch war und die hart daran gearbeitet haben, das mentale Chaos wieder aufzuräumen, das Leben ohne Drama als langweilig empfinden. Langweilig wäre zwar nicht unbedingt das Wort gewesen, was mir als Beschreibung eingefallen wäre, aber ich verstehe durchaus, woher das kommt.


Wenn man daran gewöhnt ist, dass alles ein Kampf ist, jede Sache einen Haken hat und immer alles, was man tut, kritisiert wird, fühlt es sich komisch an, wenn es irgendwann nicht mehr so ist. Ich weiß, das klingt für viele erstmal unlogisch. Wir wollen schließlich alle nur Menschen in unserem Leben, die uns so nehmen, wie wir sind. Also macht es doch nur Sinn, dass man sich einfach nur freut, wenn man diese Menschen dann endlich gefunden hat. Das dachte ich auch mal, aber das stimmt nicht.


Das Gegenteil ist der Fall. Ich war so daran gewohnt, dass die Menschen in meinem Umfeld in jedem Satz eine versteckte Doppelbotschaft versteckten und immer etwas an mir kritisiert wurde, dass ich komplett verlernt hatte, wie es ist, das nicht mehr machen zu müssen. Die Suche nach dem Haken war automatisch bei mir drin. Wenn ich Menschen traf, bei denen es gar keinen Haken gab, war ich vor allem eines: verwirrt.


Wenn immer ein bestimmtes Verhalten erwartet wird, ist das Leben zwar nicht schön, aber immerhin auf eine seltsame Art einfacher. Man verhält sich einfach so, wie die anderen es erwarten und alle sind zufrieden - außer man selbst natürlich. Ich war Meisterin darin, Räume und andere Menschen zu lesen und mich dem anzupassen, was sie brauchen. Das Problem war nur, ich habe das mein ganzes Leben lang gemacht und hatte so nie die Möglichkeit, herauszufinden, wer ich bin und wie ich mich eigentlich verhalten will.


Als ich dann Personen traf, die gar keine Erwartungen an mich hatte, außer dass ich ich selbst sein soll, war ich überfordert. Denn ich wusste ja gar nicht, wer dieses Ich eigentlich ist. Das Schöne ist aber, dass man sich bei diesen Menschen einfach irgendwie verhalten kann. Sie suchen nicht nach Fehlern und akzeptieren jede Seite, die zu einem gehört, auch wenn die manchmal noch chaotisch und unsicher ist.


Wie ich schon öfter mal erwähnte, sind mit einer Angststörung auch alltägliche Dinge wie einkaufen gehen oder von A nach B fahren ziemlich anstrengend. Als ich vor kurzem aufhörte, mir schon eine halbe Stunde vorher Gedanken darüber zu machen, was alles schief gehen könnte, dachte ich erst, ich würde einfach etwas übersehen. Ich war es nicht gewohnt, dass sich in meinem Körper keine Angst breit machte.


Wenn man plötzlich nicht mehr alles zerdenkt und Dinge einfach machen kann, hat man auf einmal eine Menge Energie übrig. Alles wird einfacher und entspannter bzw. für einige vielleicht auch langweiliger. Wenn man sein ganzes Leben sprinten musste und jetzt einfach in Schrittgeschwindigkeit gehen kann, kommt es einem auch viel zu langsam vor. Obwohl es eigentlich genau anders herum ist. Das jetzige Tempo ist normal und vorher war man viel zu schnell unterwegs.


Und nach der anfänglichen Phase der Verwirrung habe ich auch ziemlich schnell angefangen, die neu gewonnene Ruhe und Entspannung einfach zu genießen. Es ist nämlich auch sehr angenehm, wenn der eigene Kopf nicht mehr permanent nach möglichen Fallstricken sucht. Aber auch der Rest des Körpers fährt runter und wird irgendwie müde, denn der Körper ist hetzt nicht mehr ständig im Ausnahmezustand. Vielleicht denken deswegen viele, dass ihr Leben jetzt langweilig ist.


Dabei ist ein „langweiliges“ Leben genau das, was ich als Kind immer wollte. So wie in Full House, wo alle Probleme in ruhigen Gesprächen geklärt werden und die Erwachsenen sich eingestehen können, dass auch sie mal Fehler machen. So wie in Harry Potter, wo Harry mit 11 endlich einen Ort findet, an dem er sich wohl fühlt und Freunde findet. So wie bei Gilmore Girls, wo die beiden Frauen ihr Lieblingscafé haben, Filme gucken und essen können, was sie wollen, ohne zuzunehmen. Mit Ausnahme der letzten Sache habe ich alles andere bereits in meinem Leben. Und das finde ich nicht langweilig, sondern einfach wunderschön.

Comments


Franzis Gedankenwelt

  • alt.text.label.Instagram
  • alt.text.label.Twitter

©2024 von Tante Manschis Gedankenwelt. Erstellt mit Wix.com

bottom of page