Ich verzeihe nichts!
- Franzi C
- 23. Mai
- 3 Min. Lesezeit
Vor einiger Zeit haben wir hier schon mal über Rache gesprochen. Ich bin damals zu dem Schluss gekommen, dass Rachegefühle den Fokus zu sehr auf die Anderen lenken und es einem selbst nicht besser geht, nur weil es jemand anderem schlechter geht. Jetzt möchte über das Gegenteil von Rache reden, nämlich Vergebung. In Filmen und Serien sehe ich öfter, dass Leuten geraten wird, jemandem zu verzeihen. Manchmal kommen die Personen aber auch selbst darauf und merken, wie sehr es ihnen hilft, ihren eigenen Weg zu gehen und etwas Schlimmes zu verarbeiten. In bestimmten Situationen halte von Vergebung aber genauso wenig wie von Rache. Und das hat mehrere Gründe.
Aber was meine ich genau mit Vergebung? Vergebung bedeutet für mich hauptsächlich, nicht mehr wütend auf die Person zu sein, auch wenn sie ihr Fehlverhalten nicht bereut und sich dafür auch (noch) nicht entschuldigt hat. Das bedeutet jedoch nicht automatisch, dass man die Person mag oder wieder mit ihr redet.
Im Idealfall hat die Person bereits ihren Fehler erkannt und sich entschuldigt. Solange ihr Verhalten nicht zu verletzend war oder zu lange anhielt, finde ich es verständlich und in Ordnung, wenn man ihr dann verzeiht. Sobald absehbar ist, dass sie sich weiter so verhalten wird oder das, was passiert ist, einfach zu schlimm war, würde ich der Person nicht mehr vergeben.
Es gab schon öfter mal Momente, wo mich das Verhalten von Freunden irritiert hat. Bei einigen hat der eine Fehler ein viel größeres Problem darunter offenbart. Das hat die Freundschaft oft stark ins Wanken gebracht oder sogar beendet. Bei anderen ist das nicht passiert. Da wusste ich, dass die Äußerung ein einmaliger Patzer war, der gar nicht zum Charakter der Person passt. Da brauchte es manchmal nicht mal ein Gespräch, um die Irritation aufzuklären. Der Fehler hat sich dann auch nicht wiederholt.
Aber was ist bei Menschen, die den Fehler wiederholen? Ich bin der Meinung, einmal ist ein Fehler, aber ab dem zweiten Mal ist es ein Charakterzug. Oder was ist, wenn es nicht nur ein kleiner Fehler war, sondern etwas viel schlimmeres, woran man noch Monate oder Jahre später zu knabbern hat?
Ich verstehe jede Person, die dem Gegenüber nach einer ernst gemeinten Entschuldigung verzeiht und ihr eine zweite Chance gibt. Ich weiß ehrlicherweise nicht, ob ich es könnte, denn das ist mir noch nicht passiert. Ich kenne nur den absoluten Worst Case, nämlich dass sich eine Person sich monatelang oder sogar jahrelang grob daneben benimmt und sich dann weder entschuldigt noch das eigene Fehlverhalten als solches anerkennt.
Ich glaube, in so einem Fall kann Vergebung für einige eine Befreiung sein. So als ob man eine Entschuldigung akzeptiert, von der man weiß, dass man sie in Wirklichkeit nie bekommen wird. Für mich war Vergebung nie eine Option. Eben weil ich dann immer das Gefühl habe, ich würde das Verhalten oder meinen Schmerz irgendwie klein reden. Ich möchte auch gar nicht aufhören, wütend auf die Person zu sein. Die Wut ist schließlich der Teil in mir, der anerkennt, dass da etwas gewaltig schief gelaufen ist. Sie kämpft für meine Bedürfnisse und verteidigt meine Grenzen.
Versteht mich nicht falsch. Die Wut soll auf Dauer auch nicht so stark sein, dass ich mich jedes Mal, wenn über die Person gesprochen wird, erstmal fünf Minuten lang aufregen muss. Es reicht schon eine kleine Prise Wut, ein kleines Wütchen, das klar sagt: Was geschehen ist, war nicht in Ordnung, und weder Zeit noch eine halbherzige Entschuldigung oder Versuche, die Sache klein zu reden, können etwas daran ändern.
Stattdessen habe ich akzeptiert, dass ich nie die Entschuldigung erhalten würde, die ich mir doch so sehr wünsche, und mich um mich selbst gekümmert. Ich brauche schließlich keine Entschuldigung, um anzuerkennen, was alles schief gelaufen ist, und an mir zu arbeiten. Ich kann meinen Weg gehen, unabhängig davon, wer mitkommt und mir dabei hilft.
Am Ende ist es sogar sehr wahrscheinlich, dass der Grund dafür, keine Entschuldigung zu bekommen, ist, dass es der Person einfach gar nicht leid tut. Dann erschließt sich mir noch viel weniger, warum ich der Person dann auch noch verzeihen sollte.
Manchmal habe ich auch den Eindruck, dass Vergebung ähnlich wie Rache mehr ein Signal nach außen ist, als dass es wirklich innerlich hilft. Während man sich bei Rache auf das Niveau des Gegenübers begibt, nur um es leiden zu sehen, ist man bei Vergebung darauf bedacht, sich über die andere Person zu erheben und somit zu signalisieren, dass man ein viel besserer Mensch ist. Sowas lenkt mir den Fokus zu sehr weg von dem eigentlichen Problem.
Unterm Strich muss natürlich jede Person selbst wissen, ob und wem sie wie, wann, warum verzeiht. Ich überlege mir nur gerne vorher, ob die andere Person das überhaupt verdient hat. Denn am Ende schuldet mir die andere Person zwar eine Entschuldigung, aber ich schulde ihr keine Vergebung!
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