Ich will ihnen zeigen, dass ich gewonnen habe!
- Franzi C
- 25. Apr.
- 4 Min. Lesezeit
Ich habe neulich die letzte Staffel von Schitt‘s Creek geschaut. In dieser Serie geht es um eine New Yorker Familie, die vorher reich war und auf einmal ihr gesamtes Geld verliert. Sie merken schnell, dass mit dem Geld auch die „Freunde“ verschwinden. In der letzten Staffel sagt dann eine der Figuren, dass sie unbedingt zurück nach New York ziehen will, weil sie den alten Freunden zeigen will, dass sie gewonnen hat. Und ich kann diesen Gedanken sehr gut verstehen, denn ich habe ihn auch manchmal.
Ich habe meine Eltern seit Jahren nicht mehr gesehen und ich lege auch keinen Wert darauf, das zu ändern. Ab und zu gibt es aber Momente, in denen ich am liebsten zu ihnen gehen würde, um ihnen zu zeigen, wie gut es mir mittlerweile geht und dass ich all die Dinge erreicht habe, die sie mir nie zugetraut haben. Ich will ihnen unter die Nase reiben, dass ich ein besserer Mensch bin als sie und dass ich nicht mehr die kleine graue und dumme Maus bin, die sie auch mir machen wollten, sondern eine ausgewachsene Ratte mit Glitzerjacke und Uni-Abschluss. Vielleicht bin ich auch ein anderes Tier, aber ihr wisst, worauf ich hinaus will.
Allerdings geht es mir nicht nur bei meinen Eltern so, sondern auch bei meinem alten Klassenlehrer aus der Grundschule und einigen ehemaligen Mitschülerinnen. Ich will den letzten Eindruck, den sie (wahrscheinlich) von mir hatten, korrigieren und ihnen zeigen, was aus mir geworden ist. Aber warum? Alles, was ich mir in den letzten Jahren aufgebaut und erarbeitet habe, verliert nicht automatisch an Wert, nur weil einige Menschen das nicht mitgekriegt haben. Und sonst ist mir ja auch egal, was andere von mir wissen oder denken, vor allem, wenn sie keine wichtige Rolle in meinem Leben spielen. Wieso ist es bei Leuten aus meiner Vergangenheit plötzlich anders?
Dahinter stecken, glaube ich, viele Emotionen und Wünsche von mir. Allen voran ist da eine ganze Menge Schadenfreude. Ich will vor meinen Eltern stehen und sagen, dass sie mit mir eine tolle Person verloren haben, die ihr Leben schon damals bereichert hätte, wenn sie nicht zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen wären, um das zu sehen. Damit verbunden ist mein Wunsch danach, dass sie anerkennen, dass sie Fehler gemacht haben und ich ihnen bewiesen habe, dass sie all die Zeit das Problem waren.
Meine Erfahrung sagt mir aber, dass das höchstwahrscheinlich nicht passieren würde. Denn sie (also speziell meine Eltern) stecken schon zu tief in ihrem Netzt aus Lügen und Rechtfertigungen, sodass es unmöglich für mich oder jemand anderes ist, an sie heranzukommen. Und die Personen, die vielleicht etwas ehrlicher zu sich sind, haben ihre Fehler wahrscheinlich schon längst reflektiert und brauchen meine Beweise nicht mehr, um zu sehen, dass sie Fehler gemacht haben.
Wahrscheinlich will ich damit aber nicht nur sie, sondern vor allem auch mich überzeugen. Den Großteil meines Lebens ging es mir nicht gut, denn ich war überzeugt davon, die graue Maus zu sein und nur dieses Leben zu verdienen. Dass ich die glitzernde Ratte bin und tief in mir drinnen auch schon immer war, habe ich erst vor kurzem verstanden. Manchmal glaube ich, dass ist noch gar nicht ganz bei mir angekommen. An das Leben als extravagante Ratte muss ich mich eben erst gewöhnen.
Im Bezug auf meine Eltern merke ich aber auch die stille Hoffnung, dass es sowas wie Karma wirklich gibt und es ihnen schlechter geht als mir. Ob das so ist, weiß ich natürlich nicht. Aber ich würde es ihnen wünschen.
Und zu guter Letzt ist da noch mein Stolz und meine angeberische Seite. Ich will von ihnen dafür bewundert werden, wie viel ich erreicht habe. Aber auch hier glaube ich, dass die anderen nur ausgleichen sollen, was ich selbst nicht genug schaffe, nämlich stolz auf mich zu sein. Es fällt mir immer noch schwer, selbstbewusst zu sagen, dass ich stolz auf das bin, was ich getan und erreicht habe. Das ist ja auch kein Wunder, wenn man bedenkt, dass ich mit der Überzeugung groß geworden bin, dass ich nur auf besondere Dinge stolz sein kann, aber dass nichts, was ich jemals erreichen werde, etwas besonderes sein kann.
Und so wird aus „Ich will ihnen zeigen, dass ich gewonnen habe“ ganz schnell „Ich will mir selbst zeigen, dass ich gewonnen habe“. Wahrscheinlich brauche ich noch etwas Zeit, bis ich ganz in meinem neuen Leben angekommen bin. Mein Gehirn hat es schon verstanden, aber meine Gefühle noch nicht. Die sind erfahrungsgemäß etwas begriffsstutziger und langsamer als der Verstand.
Irgendwann wird der Groschen bei mir fallen. Und am Ende bin ich die einzige Person, bei der er fallen muss. Denn die anderen sind schon lange nicht mehr wichtig in meinem Leben und das aus einem guten Grund. Die, die draußen stehen, sind dort, weil sie früher nicht interessiert hat, wie es drinnen aussieht und sie lieber draußen stehen wollten. Sie haben jedes Recht verloren, mir jetzt auch nur einen Schritt näher zu kommen. Wie es drinnen aussieht, sehen nur die, die zurecht mit mir drinnen stehen. Sie haben sich ihren Platz hart erarbeitet.
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