Warum ich keine Kinder will
- Franzi C
- 4. Apr.
- 4 Min. Lesezeit
Als Frau Anfang 30 stellt sich die Frage, ob ich Kinder kriegen will. Aber diese Frage stellt sich natürlich nicht von selbst. Sie wird gestellt. Von der Familie, den Freundinnen, von Dating-Partnern, von flüchtigen Bekannten auf der Geburtstagsfeier eines gemeinsamen Freundes, von potentiellen Arbeitgebern, von den eigenen Ärztinnen und von der Gesellschaft. Nicht allen davon geht die Antwort etwas an. Ich habe mir diese Frage natürlich auch immer wieder gestellt und die Antwort hat sich im Laufe der Jahre etwas verändert. Hier ist nun meine (wahrscheinlich) finale Antwort.
Wie ihr dem Titel schon entnehmen konntet, will ich keine Kinder. Das ist jetzt also keine Überraschung für euch. Viel interessanter ist ohnehin, warum das so ist und wie ich zu der Entscheidung gekommen bin. Als Jugendliche hielt ich es für selbstverständlich, dass alle Menschen Kinder bekommen müssen. Das war der Kreislauf des Lebens. Damals hatte ich Angst davor, eigene Kinder in die Welt zu setzen, denn meine Eltern haben so viele Fehler in ihrer (fehlenden) Erziehung gemacht. Ich hatte also keine guten Vorbilder und hatte die Befürchtung, alles oder zumindest zu viel falsch zu machen.
Mit Anfang 20 habe ich dann verstanden, dass nicht jeder Mensch ein Kind in die Welt setzen muss. Das war eine große Erleichterung, denn ich merkte, dass ich bis Dato noch nie das Bedürfnis hatte, ein Kind zu bekommen. Ich wollte studieren, ich wollte arbeiten, Bücher lesen, Freunde sehen, reisen und ab und zu mal einen Harry Potter-Film sehen. Was ich nie wollte, war ein eigenes Auto besitzen, auf dem Land wohnen, ein Kind bekommen und die Herr der Ringe-Filme sehen. So wie einige Menschen Haustiere wollen und einige nicht, gehörte ich eben zu denen, die kein Kind wollten.
Hella von Sinnen sagte mal, dass sie die beste Tante/ Cousine/ Patentante etc. sei, aber eine gute Mutter wäre sie auf gar keinen Fall. Mir geht es genauso. Ich liebe alle Kinder aus meinem Umfeld. Ich verbringe gerne Zeit mit ihnen, baue Sachen aus Lego oder gucke Disney-Filme mit ihnen. Solange sie nicht meine eigenen Kinder sind, für die ich in jeder Minute des Tages verantwortlich bin, ist alles in Ordnung.
Und hier liegt auch der Ursprung dessen, warum ich keine Kinder möchte. Ich habe bereits vier Kinder erzogen. Denn obwohl meine Eltern und auch der spätere Freund meiner Mutter von außen aussahen wie Erwachsene, haben sie sich jeden Tag wie quengelnde Vierjährige verhalten, denen man ihr Lieblingsspielzeug weggenommen hatte. Sie hatten all ihre Emotionen an mir ausgelassen, obwohl ich für keine einzige davon etwas konnte. Ich war dann gezwungen, ihre Emotionen zu regulieren und abzufangen, ohne selbst zu wissen, wie das eigentlich geht, denn im Gegensatz zu ihnen war ich ja tatsächlich ein Kind.
Nachdem mein Vater dann irgendwann gar nicht mehr und meine Mutter nur körperlich anwesend war, war ich viel zu früh auf mich allein gestellt. Ich wurde zu einer unabhängigen Jugendlichen, die sich nie traute nach Hilfe zu fragen, denn erfahrungsgemäß hätte ich sie eh nicht bekommen. Ich musste mich also wie eine Erwachsene verhalten, obwohl ich keine war, und drei absolute Härtefälle und nebenbei auch noch mich selbst erziehen.
Ich weiß nicht, ob ich es extra erwähnen muss, aber ein Kind kann sich nicht selbst erziehen. Zwangsweise geht dabei sehr viel schief. Diese Fehler zu korrigieren, dauert Jahre und ging in meinem Fall nicht ohne Medikamente und Therapie. Das Kind, das ich früher war, wurde irgendwann zu einem inneren Kind, das sehr großen Nachholbedarf hatte. Hätte ich mich nicht darum gekümmert, wäre ich wie meine Eltern geworden: Ein ewiges Kind, das in der Trotzphase steckengeblieben ist und so tut, als wäre es ein rationaler Erwachsener.
Nun bin ich also mit Anfang 30 zum ersten Mal in meinem Leben eine tatsächlich erwachsene Person, die sich nur um sich selbst kümmern muss und im Hier und Jetzt leben darf, statt sich um ihre Eltern und den Schaden, den sie angerichtet haben, kümmern zu müssen. Denn auch als ich längst ausgezogen war, warfen meine Eltern immer noch ihren Dreck aus der Vergangenheit direkt vor meine Füße. Ich habe vier Kinder erzogen, die ich mir nicht mal ausgesucht habe. Ich würde sagen, mein Erziehungs-Soll ist erfüllt.
Damals hatte ich keine Wahl. Aber jetzt habe ich sie. Rückblickend glaube ich, meine Eltern wollten auch kein Kind, haben aber trotzdem eins bekommen. Es wäre für sie und mich besser gewesen, mich nicht in die Welt zu setzen. Auch wenn es bedeuten würde, dass ich jetzt nicht hier wäre. Aber ein Kind zu zeugen und ihm dann jede Minute des Tages zu vermitteln, dass man es nicht mag und man sich eigentlich wünschte, es wäre nie geboren worden, kann ja auch nicht Sinn der Übung sein.
Meine Entscheidung steht natürlich nicht in einem luftleeren Raum. Ich kann mein Umfeld und die Gesellschaft nicht davon abhalten, meine Entscheidung zu bewerten oder zu kommentieren. Ich habe schon Sätze gehört wie: „Aber warum denn nicht? Du wärst bestimmt eine gute Mutter!“ Ich wäre bestimmt auch eine gute Eiskunstläuferin, aber das ist nicht das, was ich sein will. Meine Großeltern haben mich auch schon gefragt, ob sie noch Urgroßeltern werden. Ich habe ihnen gesagt, dass sie ihre Hoffnungen auf ihre anderen drei Enkelkinder legen müssen. Und eine Bekannte meinte mal, sie will irgendwann nicht bereuen müssen, keine Kinder bekommen zu haben. Dabei ist es doch viel schlimmer, irgendwann zu bereuen, dass man ein Kind bekommen hat. Ich spreche da aus Erfahrung.
Da ich am Ende ganz allein mit meiner Entscheidung und den Konsequenzen leben muss, werde ich bei meiner Entscheidungsfindung auch nur meine Meinungen, Erfahrungen und Wünsche berücksichtigen. Ich weiß, es wird gern so getan, als wäre es ein Gesamtgesellschaftliches Thema, bei dem jede Person mitreden darf. Aber das ist es nicht. Ob ein Kind mehr in diesem Land lebt, hat zwar Auswirkungen auf die Gesellschaft, aber das hat auch mein Job, meine Hobbys und mein Kreuz bei der Bundestagswahl. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass mir da jemand reinreden darf.
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