Dinge, die nie passiert sind
- Franzi C
- 28. Juni 2024
- 2 Min. Lesezeit
Ich hatte eine beschissene Kindheit. Damit bin ich nicht alleine. Vielen geht es ähnlich. Andere haben eine beschissene Partnerschaft oder Freundschaft hinter sich. Oder sie hatten eine Person auf der Arbeit, die ihnen das Leben zur Hölle gemacht hat. Arschlöcher gibt es in allen Lebensbereichen. Und ihr Verhalten prägt uns nachhaltig.
Die Dinge, die mir passiert sind, haben Auswirkungen auf mich, die ich bis heute spüre. Vielen Dingen habe ich hinterher getrauert und genauso viele Dinge haben mich wütend gemacht: Die Momente, in denen ich verletzt wurde, die Tatsache, dass niemand eingegriffen hat, die vielen Versuche, die Situation zu retten, der Kontaktabbruch zu der Person, die mich verletzt hat. Die Liste könnte ich jetzt noch ewig weiter führen, aber ich glaube, ihr wisst, was ich meine.
Aber was ist mit den Dingen, die nie passiert sind? Was ist mit Dingen, die ich mir gewünscht habe, die aber nie passiert sind? Oder mit den Dingen, von denen andere so selbstverständlich erzählen und von denen ich gemerkt habe, dass ich so etwas nie hatte? Und was ist mit den Dingen, die ich in meiner Lieblingsserie gesehen habe und die mir fast märchenhaft und unwirklich vorgekommen sind, weil mein eigenes Leben so stark vom Gesehenen abwich? All diese Dinge tun weh — und das auch noch Jahre später. Das Schlimmste daran ist, dass diese Liste nie aufhört zu wachsen. Bei jeder Person, die ich kennenlerne, bei jeder neuen Serie, die ich sehe, wird die Liste ein Stückchen länger. Natürlich tauchen dabei auch mal negative Dinge auf, bei denen ich froh bin, dass sie mir nicht auch noch passiert sind. Aber das passiert eher selten.
Die Dinge, die mir passiert sind, begrenzen bis heute meine Vorstellung davon, wie zwischenmenschliche Beziehungen überhaupt aussehen können. Es ist, als würde an jeder Ecke eine neue Begrenzung warten. Wie eine Wand, die Mitten durch eine Straße geht. Ich denke dann, dass es einfach eine Sackgasse ist und die Straße dort für alle endet. Erst wenn ich dann mit anderen rede, merke ich, dass der Weg nur für mich da aufhört. Die meisten gehen einfach weiter. Durch die guten Dinge, die mir nicht passiert sind, kann ich diese Grenzen hinterfragen. Zwar kommen mir Freundschaften und Partnerschaften aus Film und Fernsehen immer noch so surreal vor, dass ich mir oft nicht vorstellen kann, dass es bei mir auch mal so sein könnte, aber durch sie kann ich visualisieren, in welche Richtung ich will. Wenn ich anderen, realen Menschen dabei zuhöre, wie sie von ihren Beziehungen erzählen, macht es mich zwar traurig, aber es hilft mir dabei, realistische Ziele für die Zukunft zu setzen. Und obwohl ich noch nicht am Ziel bin, kenne ich zumindest schon den Weg. Jetzt muss ich ihn nur noch gehen.
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