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Du bist ja so leise!

  • Autorenbild: Franzi C
    Franzi C
  • 31. Jan.
  • 3 Min. Lesezeit

Ich als introvertierte Person bin gerne alleine. Ich weiß, es gibt Menschen, die können sich das nicht vorstellen. Aber ich bin die, die gerne allein zuhause sitzt und nachdenkt. Ich bin auch die, die beim Abendbrot auffällig leise ist, wenn die anderen schon laut genug sind. Und ich bin die, die lieber am kleinen Kindertisch als am großen Erwachsenentisch sitzt, einfach weil am Kindertisch weniger Menschen sitzen. Manchmal werde ich gefragt: „Warum bist du denn so leise? Ist alles in Ordnung bei dir?“ Äh, ja danke, mir geht es super! Und ich sag euch auch, warum.


Ich war schon immer ziemlich wählerisch, wenn es darum ging, mit wem ich rede und wem ich mich öffne. Das kommt daher, dass es mal eine Zeit gab, in der dieses Verhalten überlebenswichtig für mich war. In meiner Kindheit wurde mir jedes Wort schon im Munde umgedreht und gegen mich verwendet. Auch nur ein bisschen Liebe von meinen Eltern zu bekommen, hieß auch immer, früher oder später einen hohen Preis dafür zu bezahlen. Alles hatte einen Haken oder einen doppelten Boden.


Für mich gab es da nur eine einzige Lösung, nämlich mich zurückzuziehen und mich zu verschließen, um keine Angriffsfläche mehr zu bieten. So ist man zwar sehr sicher vor den gemeinen Aussagen seiner Mitmenschen, aber leider auch sehr einsam. Denn irgendwann konnte ich selbst die liebste Person nicht mehr an mich heranlassen.


Seitdem ist das Alleine sein für mich wie ein sicherer Hafen, in dem ich mich wohl fühle und wo nichts Unvorhersehbares/Schlechtes passieren kann. Aber auch introvertierte Personen brauchen die Beziehung zu anderen Menschen. Denn was wäre das Leben ohne tiefgründige Gespräche am Lagerfeuer, Kaffee-Dates mit Freundinnen und Insider-Witze mit der kleinen Schwester.


Über die letzten 10-15 Jahre musste ich aber erstmal lernen, wie das mit dem sich öffnen überhaupt geht. Dafür brauchte ich Menschen, die einfach nur nett sind, ganz ohne Haken oder doppelten Boden. Und die hatte ich. Denn es gab sie wirklich. Die Menschen, die sagen, was sie meinen, und meinen, was sie sagen.


Und bei genau denen war ich sicher und konnte mich öffnen. Zum Teil habe ich das auch. Ich habe alles von mir erzählt und alles, für die Person getan. Nur meine Gefühle habe ich dabei immer außen vor gelassen. Nur für den Fall, dass die Menschen doch nicht so nett sind, wie sie scheinen. Denn wenn ich in die Freundschaften ohne Emotionen gehe, kann ich ja nicht verletzt werden, oder? Na ja, nicht ganz. Diese halbherzige Einstellung führte hauptsächlich dazu, dass ich immer mit angezogener Handbremse unterwegs war. Ich war innerlich distanziert und sendete widersprüchliche Signale an meine Mitmenschen. Und wenn sie sich dann von mir abwendeten, wurde ich natürlich trotzdem verletzt.


Mittlerweile kann ich mich auch emotional öffnen. Aber da das für mich immer noch neues und unsicheres Terrain ist, brauche ich regelmäßig Abstand von allen Personen. Alleine und aus sicherer Distanz kann ich meine Beziehungen zu anderen in Ruhe reflektieren und verarbeiten. Im Nachhinein fallen mir immer noch kleine Dinge auf, die meinen Gesamteindruck von der anderen Person erst so richtig vervollständigen. Das kann eine kleine Geste, ein kurzer Blick oder ein fast verschluckter Nebensatz sein. Oder etwas, was mir die Person erzählt hat, das jetzt ein ganz neues Licht auf Dinge wirft, die vielleicht vor sieben Jahren passiert sind.


Ich achte viel auf solche Kleinigkeiten und denke auch lange über alles nach. Das mache ich zum einen, weil überprüfen will, ob die großen Gesten dieselbe Sprache sprechen wie die kleinen, eher unbewussten und zum anderen lege ich selber großen Wert auf die kleinen Gesten und drücke meine Zuneigung am liebsten auch so aus. Und vielleicht brauche ich auch genau deshalb so viel Zeit zum Nachdenken. Solange ich alleine bin, landen keine neuen Eindrücke auf meinem Schreibtisch und ich kann in Ruhe die alten abarbeiten. Es braucht eben Zeit, diese kleinen Gesten zu finden, zu analysieren und zu verarbeiten. Jemand, der auf sowas nicht achtet, brauch diese interne Nachbesprechung auch nicht.


Neuen Menschen gegenüber bin ich immer noch sehr vorsichtig. Erst wenn ich das Gefühl habe, mein Gegenüber kann mit meinem Charakter und meiner Geschichte richtig umgehen, lasse ich mich auf ihn ein. Auch auf Partys finde ich intuitiv immer genau die eine Person, die auf meiner Wellenlänge ist. Und wenn ich sie nicht finde, habe ich auch kein Problem damit, in der Ecke zu sitzen und mit niemandem zu reden. Denn meine Zeit ist mir zu schade, um schlechte Gespräche mit den falschen Menschen zu führen.


Ich bin also eigentlich gar nicht leise. Ich bin nur innerlich viel beschäftigt und habe hohe Ansprüche.

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