Oh, wie schön ist Zweifeln!
- Franzi C
- 24. Jan.
- 3 Min. Lesezeit
Wie wäre unser Leben, wenn wir nie an etwas zweifeln würden? Vielleicht wäre es einfacher. Vielleicht wären wir sorgloser. Aber vielleicht würden wir auch viel mehr falsche Entscheidungen treffen. Ich glaube, dass es wichtig ist, zu zweifeln. An anderen, aber vor allem auch mal an sich selbst.
Ich glaube, es ist wichtig, sich selbst und andere zu hinterfragen. Und dafür müssen wir Zweifel zulassen können. Zweifel ist für mich der Startschuss für Veränderungen. Denn nur, wenn ich mir eingestehen kann, dass ich nicht mehr so bin wie früher und mein altes Verhalten nicht mehr zu meinem jetzigen Ich passt, werde ich mein Verhalten verändern können. Wenn ich den Gedanken nicht zulassen kann, ist es für mich gar keine Option, mich anders zu Verhalten. Denn warum sollte ich auch etwas ändern, wenn ich zufrieden bin, so wie es ist?
Schon klar, das klingt alles sehr theoretisch. Deshalb hier ein Beispiel. Ich bin in dem Glauben aufgewachsen, dass ich - und ich möchte an dieser Stelle meine Mutter zitieren - zu dumm bin, um durch eine offene Tür zu gehen. Ich war so überzeugt davon, dass das stimmt, dass ich es nie ernst nehmen konnte, wenn jemand das Gegenteil behauptet hat. Keine Note, kein Abschlusszeugnis reichte als Gegenbeweis. Sie wird schon Recht haben. Warum sollte meine Mutter mir auch etwas Falsches erzählen?
Ich habe mal gehört, dass Menschen für jede negative Aussage mehrere Hundert positive hören müssen, um die negative wieder auszugleichen und sich nicht mehr schlecht zu fühlen. Angewendet auf meine Mutter bedeutet das, sie hätte mir schätzungsweise 853608841504246829 nette Dinge sagen müssen, um ihre ständigen Beleidigungen ausgleichen zu können. Spoiler: Sie hat es nicht geschafft.
Zum Glück brauchte ich sie dafür aber auch gar nicht. Denn irgendwann hatte ich immer mehr Personen um mich herum, die hart daran arbeiteten, die Aussagen meiner Mutter auszugleichen. Eines Tages fing ich an, daran zu zweifeln, ob es überhaupt stimmte, was sie damals so vehement behauptet hatte. Meine Zweifel (und die lieben Personen) waren der erste Schritt zu der Erkenntnis, dass die Behauptung meiner Mutter mindestens so dumm war, wie sie mir unterstellte, selbst zu sein.
Manchmal ändern wir uns, manchmal ändern sich die anderen und manchmal ändern sich die Umstände oder unsere Perspektive. Aber um die Veränderungen erkennen zu können, müssen wir erst an uns, den anderen oder den Umständen zweifeln können. Der Zweifel schafft Raum für neue Erkenntnisse, die den bisherigen widersprechenden.
Natürlich können die eigenen Zweifel auch mal zu viel werden. Es gab Situationen, da habe ich z.B. daran gezweifelt, ob ich schlau genug bin, um zu studieren. Ironischerweise habe ich dann an meinen Zweifeln gezweifelt, denn vielleicht sind die ursprünglichen Zweifel ja unberechtigt. Dann hilft nur, es einfach auszuprobieren und zu sehen, was passiert. Es gab aber auch schon viele Situationen, wo der Zweifel so groß war, dass ich dachte, es wäre sinnlos, es zu versuchen. So als wäre der Zweifel ein Fakt, den ich niemals ändern könnte.
Die ganzen letzten drei Jahre standen bei mir unter dem Stern des Zweifelns. Ich merkte, dass meine Gedanken und mein Verhalten zwar früher einwandfrei funktionierten, aber mittlerweile nur noch Probleme machten. Da half nur, alles auf den Kopf zu stellen und alles Erlernte anzuzweifeln. Das war zwar anstrengend, aber auch bitter nötig und am Ende auch jede Anstrengung wert.
Ich zweifle gerne an mir. Eine Person, die nicht an sich zweifelt, muss ja davon ausgehen, dass sie immer Recht hat. Abgesehen davon, dass niemand immer Recht hat, bleibt so eine Person dann zwangsweise immer auf derselben Stelle stehen, denn wer immer Recht hat, brauch ja nie etwas zu verändern und nie etwas dazulernen. Und ein Leben auf der Stelle ist erstens langweilig und zweitens führt es nirgendwo hin, wo es schön ist.
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