Gute Filme, schlechte Filme
- Franzi C
- 18. Apr. 2024
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 29. Apr. 2024
Ich liebe gute Filme. Und ich liebe schlechte Filme. Ich gucke regelmäßig mit vielen anderen zusammen die schlechtesten Filme aller Zeiten, kurz: SchleFaZ. Das ist eine Sendung, die früher bei Tele 5 lief und mittlerweile zu Nitro umgezogen ist. Sie wird von Oliver Kalkofe und Peter Rütten seit über 164 Folgen moderiert und erfreut sich einer wachsenden Fangemeinde. Und immer wieder fragt man die Moderatoren und auch uns, warum wir uns das überhaupt antun.
Zuerst stellt sich doch die Frage: Wer bestimmt überhaupt, was gute oder schlechte Filme sind? Intuitiv würden die meisten ohne Probleme den weißen Hai als guten Film und Sharknado als schlechten Film kategorisieren. Aber was passiert innerhalb des Spektrums? Da scheint es nicht so klar zu sein, warum welcher Film wo eingeordnet wird. Gucken wir zunächst zu den guten Filmen, genauer gesagt zu den Oscars. Barbie war im Kino kommerziell erfolgreicher als Oppenheimer und doch hat Letzterer neun Oscars gewonnen und Ersterer nur einen. Wer hat also Recht: Die Jury oder die Kinogänger:innen? Bei Titanic und Harry Potter schienen sich Jury und Kinobesucher:innen hingegen einig zu sein. Titanic war kommerziell erfolgreicher als die Harry Potter-Filme und hat zu seiner Zeit elf Oscars gewonnen, während die gesamte Harry Potter-Reihe nie einen einzigen bekam. Aber gibt es einen Unterschied zwischen all diesen erfolgreichen und guten Filmen? Vielleicht ja, obwohl ich nicht glaube, dass es kein großer Unterschied sein kann. Die wenigsten würden wohl behaupten, dass Oppenheimer acht mal so gut ist wie Barbie bzw. Titanic elf mal so gut wie Harry Potter. Warum das so ist, wird wohl nur die Jury der Academy Awards selbst wissen.
Welchen Film den Rest der Welt gut findet, entscheidet sich vor allen durch den persönlichen Bezug. Ich bin beispielsweise mit Harry Potter aufgewachsen. Die Filme dienten für mich als mentaler Rückzugsort, wenn die Laune meiner Mutter mal wieder besonders beschissen war. Ich konnte gemeinsam mit Harry nach Hogwarts fahren und fühlte mich dort sicher. Andere Menschen haben diese Verbindung nicht zu diesem Film. Für sie ist Harry Potter einfach nur ein Film von vielen. Gute Filme sind gut, weil sie objektive Kriterien erfüllen, aber auch weil wir eine subjektive Bindung dazu haben. Sie haben etwas ausgelöst, dass auch Jahre später noch in uns nachhallt. Diese Einsicht wird die wenigsten von euch überraschen. Aber auch die schlechten Filme sind auf unterschiedliche Weise schlecht auch mit ihnen verbinden wir etwas. Aber dazu später mehr.
Was unterscheidet also schlechte Filme von guten? Zunächst scheinen sie eins gemeinsam zu haben: Ihr Ziel ist (meist) ein guter Film zu werden. Sie wollen ein unterhaltendes Drehbuch mit Hilfe von guter Regie und glaubwürdigen Schaupieler:innen in ein sehenswertes Bewegtbildspektakel verwandeln. Beide Filme greifen dabei sowohl auf bekanntes Personal als auch auf Newcomer zurück. Beide Filme gibt es mit unterschiedlichen Geschichten in unterschiedlichen Genres. Woran liegt es also, dass einige scheitern während andere Millionengewinne einfahren? Und warum sehen wir uns gerne die an, die scheitern? Ich glaube, dass dahinter eine alltägliche menschliche Erfahrung steckt: Das Scheitern.
Wir alle sind schon mal gescheitert, ohne genau zu wissen, warum. Wir alle haben uns schon auf einen Job beworben, den wir nicht bekommen haben. Manchmal liegt es daran, dass wir noch nicht rausgefunden haben, was eine gute Bewerbung ausmacht. Und manchmal liegt auch gar nicht an uns. Vielleicht kam die Bewerbung zu spät und die Personalabteilung hat bereits genug passende Leute ausgewählt. Vielleicht waren wir mutig und haben uns auf eine Stelle beworben, für die wir noch nicht qualifiziert genug waren, und haben gegen qualifiziertere Mitbewerber:innen verloren. Und was uns passiert, passiert natürlich auch Menschen im Filmgeschäft. Ich glaube, dass die Produktion eines Films eine komplexe Aufgabe ist, bei der einfach viel schief gehen kann. Und vielleicht gucken wir die schlechten Filme deswegen so gern. Weil Scheitern menschlich ist. Wir alle fangen mal mit einem Job oder einem Hobby an, machen Fehler, aus denen wir lernen und Jahre später gucken wir darauf zurück und merken, wo wir angefangen haben und wo wir jetzt sind. Vielleicht merken wir auch, dass es einfach nichts für uns ist und wechseln den Job oder das Hobby. Im Rückblick sehen wir die ganze Entwicklung. Bei einem Film können eben alle von Anfang an zusehen. Viele scheitern (verständlicherweise) lieber im Stillen. Aber das geht bei Filmen nicht. Wie bei einem Kind kriegen wir die ersten Sprechversuche mit und begleiten sie. Wir lachen auch mal, wenn es Billerling statt Schmetterling sagt. Wir reden auch noch Jahre später drüber, weil es einfach so niedlich war. So ähnlich ist das auch bei Filmen. Und wir sehen sie uns gerne an. Vielleicht genau weil sie scheitern. Vielleicht tut es zur Abwechslung auch einfach mal gut, einen Film zu sehen, bei dem die Mitwirkenden keine Millionen verdient haben und sich davon keine Villa in Los Angeles leisten können. Sie sind wie wir, die als Kind Blockflötenunterricht hatten und als Erwachsene gerne Karaoke singen, aber in ihrem Leben kein eigenes Album herausbringen und auch keinen Grammy gewinnen werden. In einer Welt, die nach dem Leistungsprinzip handelt, ist ein schlechter Film wie ein sicherer Spielplatz, bei dem es in Ordnung ist, dass auch mal jemand hinfällt oder sich den Kopf stößt.
Parallel zu guten Filmen gibt es auch für schlechte Filme Fangemeinden. Die Größe der Fangemeinden schrumpft linear zur Zuschauerschaft. Die Kriterien, nach denen wir die Filme bewerten, sind auch dieselben. Wir achten auf die Handlung, das Set Design, das CGI, die Schauspieler:innen, die Regie, den Soundtrack und die Kostüme. Wenn uns diese Dinge positiv auffallen, ist der Film gut. Wenn nicht, ist er schlecht. Aber wie nicht alle Filme gleich gut sind, sind eben auch nicht alle Filme gleich schlecht. Einige fallen durch eine besonders absurde Handlung auf. Einige scheinen gar keine erkennbare Handlung zu haben. Einige haben so viele Löcher in ihrer Handlung, dass so manch ein Schweizer Käse blass vor Neid würde. Einige haben so außergewöhnlich schlechte Schauspieler:innen, dass man ihnen nicht mal glauben würde, wenn sie auf die Frage Wie geht es dir? mit Gut. antworteten. Einige scheinen ihre visuellen Effekte auch im Jahr 2024 noch auf einem Windows 95-Rechner zu erstellen. Einige Regisseur:innen scheinen das Drehbuch nie gesehen oder nicht verstanden zu haben. Einigen fällte es schwer, bei uns ein gruseln auszulösen, weil wir unter der rasant auf uns zukommenden Riesenspinne noch die Räder des Autos erkennen können, auf dem die Spinne aufgeklebt wurde. Einige lassen ihr zweijähriges Kind eine Stunde lang den Synthesizer mit einem Vorschlaghammer bearbeiten und nennen es Soundtrack. Es ist ein 50 Shades of Scheitern. Und wir lassen uns allzu gerne mit einer zugegebenermaßen etwas kratzigen Polyester-Krawatte an diese Filme fesseln und uns einen cinematischen Klaps auf unser Gehirn geben.
Bei der Sendung SchleFaZ kommt auch noch eine kleine Cocktailkirsche Namens Humor oben drauf. Wir wissen, dass die Filme nie einen Oscar gewinnen werden und gucken sie trotzdem. Wir nehmen uns und die Filme nicht so ernst. Wir setzen uns nach einer langen Arbeitswoche im Haikostüm vor den Fernseher, machen uns einen Cocktail und genießen, anderen beim Scheitern zusehen zu dürfen. Wenn wir die Moderatoren dann in lustigen Kostümen oder sogar oberkörperfrei sehen können, hilft uns das sogar dabei, etwas länger wach zu bleiben. Ein kleiner Teil dieser Gemeinschaft setzt auch regelmäßig Fanprojekte um. Diese Projekte reichen von Nachbesprechungen, eigens designten Bildern, einem immer weiter wachsenden Kostümfundus, zu Liedern mit verändertem Text bis hin zu einer programmierten Webseite, die einem dabei hilft, einen SchleFaZ-Cocktail aus den Zuhause vorhandenen Zutaten zu mixen. Es ist ein sicherer Ort, um kreativen Irrsinn auszuleben. Und wenn das Kostüm mal schlecht sitzt oder man nicht jede Note des Liedes trifft, ist es umso besser, denn es passt dadurch nur noch mehr zu SchleFaZ. Zusammen scheitert es sich einfach gleich viel besser.
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