Gute Trigger, schlechte Trigger
- Franzi C
- 5. Dez.
- 4 Min. Lesezeit
Ich erlebe manchmal sogenannte Trigger. Das sind Momente, in denen in mir ein Gefühl von Angst oder Wut ausgelöst wird, was dann gar nicht so viel mit der tatsächlichen Situation zu tun hat. Es ist ein altes Gefühl aus längst vergangenen Tagen, das von Menschen verursacht wurde, die schon seit Jahren nicht mehr Teil meines Lebens sind. Das Interessante daran ist, dass diese Trigger auch von normalen Situationen ausgelöst werden, in denen sich mein Gegenüber überhaupt nicht falsch verhält. Und ich glaube, dafür gibt es einen Grund.
Natürlich werden solche Trigger auch noch von Menschen ausgelöst, die sich genauso daneben benehmen wie die, die sie damals ursprünglich ausgelöst haben. Früher dachte ich, solche Trigger sollen mir zeigen, dass ich ein schlechter Mensch bin und es jetzt meine Aufgabe ist, meinem Gegenüber das Gegenteil zu beweisen. Sie fühlten sich aber auch an, wie nach Hause kommen. Ich wusste, was ich machen musste und wo welches Zimmer ist. Ich fühlte mich damit irgendwie wohl. Denn seltsamerweise kann sich alles wie Zuhause anfühlen - sogar respektloses Verhalten und Gewalt.
Mittlerweile sind sie für mich wie ein großes rotes Schild auf dem „Hier nicht entlang! Bloß weg hier! LOS, SCHNELL!!!“ steht. Nachdem ich jahrelang versucht habe, gegen diese Menschen anzukämpfen und sie vielleicht doch noch davon zu überzeugen, dass ich ein wertvoller Mensch bin, der Respekt und Zuneigung verdient hat, habe ich irgendwann verstanden, dass ich sie weder davon überzeugen kann noch muss. Entweder verstehen sie das von alleine oder gar nicht. Und wenn sie es nicht verstehen, muss ich meine Zeit auch nicht mehr mit ihnen verschwenden.
Nur wie gesagt, Trigger werden auch von Menschen ausgelöst, die mir mit tonnenweise Respekt und Zuneigung begegnen. Aber diese Trigger sind dann anders. Sie fühlen sich anders an und lösen andere Gedanken und anderes Verhalten aus. Bei ihnen fängt es zwar auch mit Angst und Wut an, aber sie lösen meist eher Fragen aus. Ich denke dann, ich habe zwischen den Zeilen rausgehört, dass ich etwas falsch gemacht habe und überlege dann, was es war und was ich machen soll, um den Fehler wieder zu beheben.
Ich drehe jedes Wort auf links. Ja, auch das ungesagte. Ich überlege, ob es etwas zu bedeuten hat, dass die Person noch nicht antwortet, ein Emoji weniger als sonst verwendet, weniger redet oder einen ernsteren Ton anschlägt. Dank meiner Kindheit bemerke ich solche Kleinigkeiten leider sehr schnell. Die sind also nicht eingebildet. Aber das, was ich danach in diese Dinge reininterpretiere, ist es.
Wenn ich diese kleinen Abweichungen bemerke, ist mein Impuls jedoch nicht, die Person von meinem Wert überzeugen zu wollen, sondern eher mich verletzt oder beleidigt zurück zu ziehen.
Diese „Abweichungen“ haben fast nie etwas mit mir zu tun. Weder heute noch damals. Aber im Unterschied zu jetzt wurde ich früher immer dafür verantwortlich gemacht und musste diese Abweichungen beheben. Heute gibt es diese ganz normalen Verhaltensunterschiede zwar noch, aber ohne die Schuldzuweisung von früher.
Und vielleicht ist genau das der Grund, warum ich dann als ersten Reflex in den Rückzug gehen will. Ohne Schuldzuweisung und den daraus folgenden Arbeitsauftrag an mich, denke ich, dass ich nicht gebraucht, nicht gewollt werde. Sowas fühlt sich wie eine Ablehnung an. Aber vielleicht kommt der Rückzug auch daher, dass der damals die sicherste Option für mich war. Bevor noch mehr Ablehnung kommt, verschwinde ich lieber, damit die Situation nicht eskaliert.
Da aber weder die gefühlte Ablehnung noch die Schuldzuweisung tatsächlich existieren, bin ich in einer ewigen Suche nach meinem Fehler gefangen. Deswegen denke ich auch so lange über jedes Wort nach. Ich suche etwas, was gar nicht da ist. Da kann man ewig suchen, denn dass ich nichts gefunden habe, bedeutet ja, dass ich noch nicht überall gesucht habe. Ist doch logisch, oder?
Und darum geht es in einem Heilungsprozess. Man lernt den Unterschied zwischen guten und schlechten Triggern und wie man mit beidem umgehen kann. Kurz gesagt sind die guten Trigger die harmlosen Momente, die früher künstlich gefährlich gemacht wurden und jetzt zum ersten Mal wirklich nur harmlos sind. Es geht darum, diese normalen Momente endlich mal ohne Gefahr zu erleben und auszuhalten, dass ich gar nichts machen muss und trotzdem nichts schlimmes passiert.
Mittlerweile erlebe ich fast nur noch die guten Trigger. Wahrscheinlich weil ich die schlechten Trigger schon enttarne, bevor überhaupt eine Angst oder Wut entstehen kann. In meinem Heilungsprozess wurden die guten Trigger irgendwann zum internen Wegweiser. Sie zeigen mir an, wo ich lang muss und, noch viel wichtiger, wo alles besser wird. Sie zeigen mir, bei wem ich meine alten Erfahrungen überschreiben kann.
Durch die guten Trigger sehe ich, wo ich sicher bin und wo ich meine alten Ängste zeigen kann. Sie werden nur bei Menschen ausgelöst, bei denen mein Unterbewusstsein verstanden hat, dass sie meine Angst beruhigen statt verstärken. Bei ihnen kann ich ich selbst sein, ohne dass meine Schwächen und Unsicherheiten gegen mich verwendet werden.
Auf absehbare Zeit wird es für mich wohl kein Leben ohne Trigger geben. Die einzige Wahl, die ich habe, ist entweder ein Leben mit schlechten Triggern, in dem ich mich immer im Kreis drehe und nur die alten Probleme in Dauerschleife wiederhole, oder ein Leben mit guten Triggern, in dem ich mich vorwärts bewege, die alten Probleme löse und mich neuen stelle.





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