Ich habe es doch nur gut gemeint
- Franzi C
- 25. Okt. 2024
- 3 Min. Lesezeit
Gut gemeint und gut gemacht sind zwei verschiedene Dinge, die manchmal sehr weit auseinander liegen können. Wenn wir wissen, dass unser Gegenüber etwas nicht böse gemeint hat, können wir ihm etwaige Fehltritte viel leichter verzeihen. Aber was ist, wenn diese Fehltritte eben nicht einmalig sind und uns die Person immer wieder verletzt? Wo ist die Grenze von „Ich habe es doch nur gut gemeint“?
Das „Ich habe es doch nur gut gemeint“ aus meiner Kindheit habe ich nur mit jahrelanger Arbeit in der Therapie und einem starken Medikament wieder in den Griff bekommen. Natürlich sind nicht alle Menschen so eindeutig schlecht wie meine Eltern. Aber selbst bei ihnen habe ich einige Jahre gebraucht, um zu verstehen, dass sie nicht immer das machen, was sie sagen. Es war sehr verwirrend, wenn sie A gesagt, aber B gemacht haben. Ich wusste nicht, was ich glauben sollte.
Bei Menschen, die A sagen und B machen, ist die Sprache eine Reflexion dessen, was sie nach außen hin sein möchten. Sie wollen ihr Umfeld, aber vor allem sich selbst davon überzeugen, dass sie A sind. Dabei wissen sie, dass sie eigentlich B sind. Deswegen machen sie auch B. Es ist eben viel leichter, zu sagen, dass man sportlich ist, als tatsächlich morgens eine Stunde früher aufzustehen, um vor der Arbeit noch eine Runde joggen zu gehen.
Zu sagen, dass man es nur gut meint, ist eben einfacher, als es auch gut zu machen. Ich glaube auch, dass manche Menschen den Satz als Ausrede dafür nehmen, ihr Verhalten nicht mehr hinterfragen oder sogar ändern zu müssen. Wenn der „gut gemeint“-Stempel erst mal drauf ist, ist doch egal, was man macht. Bei Fragen kann man immer auf das Gedruckte verweisen und schon ist man aus dem Schneider. Ich habe es doch nur gut gemeint, also gibt es doch keinen Grund, sich aufzuregen.
Die Erkenntnis, dass das Verhalten meiner Eltern verlässlicher ist als deren Worte, war hart. Ich müsste echt lange suchen, um einen Moment in meinem Leben zu finden, der mich mehr verletzt hat, als der, in dem ich feststellte, dass meine Eltern es eben nicht gut mit mir meinen. Bis heute achte ich mehr auf das Verhalten einer Person als auf das, was sie sagt. Diese Methode hat mich bisher auch noch nicht enttäuscht. Aber die hätte man mir zweifelsohne auch schonender beibringen können.
Aber was ist mit Menschen, deren Charakter nun nicht direkt aus der Hölle kommt? Mit Menschen, deren Empathie-Fähigkeit über dem eines verschimmelten Toastbrotes liegt? Mit Menschen, die es gut meinen und manchmal auch tatsächlich gut machen? Die machen es ihren Mitmenschen noch viel schwerer, sie zu verstehen. Eben genau weil das Verhalten von ihnen nicht nur schlecht gemacht ist. Vielleicht soll das gute Verhalten das schlechte Verhalten ausgleichen. Vielleicht soll es ihr Gegenüber verwirren. Vielleicht soll es dem anderen ein schlechtes Gewissen machen, denn sie haben schließlich auch mal etwas Gutes gemacht, also darf man natürlich nicht böse sein, wenn sie mal einen Fehler machen. Wer weiß das schon.
Ich fange in solchen Momenten immer an, zu rechnen. Überwiegt das Gute oder das Schlechte? Wie viel Schlechtes ist zu viel? Wie viel Schlechtes haben sie von mir schon ertragen müssen? Wie lange kann ich ihnen noch Zeit geben, an sich zu arbeiten? Als ob ich einfach in einem Mathebuch nachgucken müsse, um die Formel zu finden, mit der ich errechnen kann, was zu viel oder zu lang ist. Aber diese Formal gibt es nicht - zum Glück, denn ich hasse Mathe.
Stattdessen versuche ich, mir andere Fragen zu stellen. Fühle ich mich noch wohl bei der Person? Tut sie mir noch gut? Freue ich mich noch darauf, sie zu sehen? Oft habe ich mich auch schon dabei erwischt, wie ich mir dachte: ‚Die Person behandelt mich immer noch besser als meine Eltern.‘ Da meine Eltern die Latte aber so dermaßen tief gelegt haben, ist das natürlich kein vernünftiger Maßstab.
Aber egal, wie ich die Fragen beantworte. Die Tatsache, dass ich sie mir überhaupt stelle, ist schon ein klares Zeichen dafür, dass die Person mir eben nicht mehr gut tut.
Wie gerne würden wir unsere Mitmenschen klar in gut und böse einteilen können. Doch leider - oder eher zum Glück - ist das nicht so einfach. Die meisten Menschen wollen niemandem etwas böses. Und trotzdem kommt man nicht umhin, ab und zu Fehler zu machen und die Menschen, die einem am wichtigsten sind, zu verletzen. Es kommt am Ende nur darauf an, ob wir uns dessen bewusst sind und uns auch ehrlich entschuldigen können, statt dem Gegenüber mit einem „Ich hab es doch nur gut gemeint“ abzubügeln. Denn gut gemacht ist eben nur der ungefickte Bruder von gut gemacht.
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