Warum der Schwachsinn immer Recht hat
- Franzi C
- 20. Sept. 2024
- 4 Min. Lesezeit
Wir alle kennen sie: Die negativen Gedankenkreisel. Sie fangen klein an, aber je mehr man sich auf sie einlässt, desto größer scheint das Problem dahinter. Und obwohl man weiß, wie schwachsinnig die eigenen Gedanken in diesem Kreisel sind, landet man doch immer wieder bei der Schlussfolgerung, dass sie Recht haben. Es ist schier unmöglich, einen Ausweg zu finden und gegen die Gedanken anzukommen. Warum das so ist und wo ihr ansetzen müsst, um da rauszukommen, erfahrt ihr hier.
Es beginnt meist mit einem Problem, dass zunächst gar nicht so groß zu sein scheint. Ich habe zum Beispiel Schwierigkeiten, stolz auf mich zu sein und meine Leistungen vor mir selbst anzuerkennen. Auf den ersten Blick scheint das gar nicht so schlimm zu sein, denn eine Leistung bleibt ja gut, egal wie man sie selbst bewertet. Es wird aber spätestens dann problematisch, wenn man in einem Bewerbungsgespräch seine Leistungen klein redet und die Firma nicht von sich überzeugen kann oder sich auf einen Job bewirbt, der unter den eigenen Fähigkeiten liegt.
Üblicherweise fange ich nach der anfänglichen Freude über meine Erfolge schnell an, alles zu relativieren. Ich sage mir dann: „So eine besondere Leistung ist das nicht, denn andere haben das auch schon geschafft.“ oder „Aber ohne die Hilfe von XY hättest du das nicht geschafft.“ oder „Ja, du hast es zwar geschafft, aber es war echt knapp. Beinahe wärst du gescheitert.“ oder auch „Du hast das Problem zwar gelöst, aber andere hatten das Problem erst gar nicht.“ Und schon hat sich meine Freue in Enttäuschung umgewandelt.
Als ich dann vor Kurzem überlegt habe, was der Ursprung all dieser schwachsinnigen Gedanken ist, bin ich auf den Satz „Wenn ich es geschafft habe, kann es ja nichts besonderes sein, also brauch ich darauf auch nicht stolz sein.“ gestoßen. Paul Watzlawick nennt sowas eine selbstbestätigenden Prämisse. Solange ich meine Überlegungen bei diesem Grundsatz anfange, werde ich immer am Ende feststellen, dass diese Gedanken doch Recht hatten.
Aber warum ist das so? Das ist eigentlich ganz einfach. Dazu müssen wir uns kurz die Logik ansehen, genauer gesagt die Aussagenlogik, die einigen vielleicht aus der Mathematik, Philosophie oder Informatik bekannt ist. In der Aussagenlogik geht es darum, herauszufinden, wann etwas wahr oder falsch ist.
Um unsere Gedankenkreisel besser zu verstehen, müssen wir uns „Wenn…, dann…“-Sätze ansehen. Die bestehen aus drei Komponenten: Dem “Wenn…“- Teil, dem „dann…“-Teil und der Schlussfolgerung. Der „Wenn/dann…“-Teil kann jeweils wahr oder falsch sein. Die Schlussfolgerung verrät uns dann, ob der ganze Satz sinnvoll ist, also ob wir Recht haben.
Um es leichter verständlich zu machen, nutze ich das Beispiel vom Wäsche waschen und einem nassen T-Shirt. Der „Wenn…, dann…“-Satz lautet dann: Wenn ich die Wäsche wasche, ist das T-Shirt nass. Das ist auch schon das erste Szenario, denn sowohl der „Wenn…“-Teil als auch der „dann…“-Teil ist wahr und auch die Schlussfolgerung stimmt, denn durch das Wäsche waschen muss das T-Shirt nass werden.
Viel spannender sind aber die anderen drei Szenarien. Das zweite Szenario (= „Wenn…“-Teil ist wahr, „dann…“-Teil ist falsch) ist der Satz „Wenn ich die Wäsche wasche, dann ist das T-Shirt trocken.“ Der Satz ist falsch, denn es kann (vorausgesetzt ich wasche das Shirt mit) während des Waschens nicht trocken bleiben. Wenn die Prämisse (= „Wenn…“) stimmt, habe ich also nur Recht, wenn ich den sinnvollen Weg gehe. Sobald ich im „dann…“-Teil irgendeinen Schwachsinn rede, komme ich automatisch zur Schlussfolgerung, dass ich falsch liege. So weit, so logisch.
Um jetzt die Spannung bis ins Unermessliche zu treiben, schauen wir uns auch noch das dritte und vierte Szenario an. In den Szenarien geht es um die Situationen, in denen die Prämisse falsch ist, also um die Sätze „Wenn ich die Wäsche nicht wasche, ist das T-Shirt nass.“ und „Wenn ich die Wäsche nicht wasche, ist das T-Shirt trocken.“ Das Interessante daran ist, dass hier im Gegensatz zu den ersten beiden Szenarien beide Schlussfolgerungen richtig sind, denn wenn das Shirt nicht gewaschen wird, bleibt es trocken. Es ist aber auch genauso gut möglich, dass das Shirt trotzdem nass ist, denn das Shirt kann auch aus anderen Gründen nass werden. Vielleicht haben wir gerade Sport gemacht und sind nass geschwitzt. Vielleicht waren wir draußen und es hat angefangen, zu regnen. Oder wir waren auf einem Kindergeburtstag und unzählige Wasserbomben haben uns getroffen. Auch so kann unser Shirt nass werden. Solange die Prämisse falsch ist, ist es egal, was danach kommt. Wir landen immer bei der Schlussfolgerung, dass wir Recht haben. Wir haben also eine selbstbestätigende Prämisse, die immer richtig ist.
Oder noch einfacher gesagt: Der Schwachsinn hat immer Recht. Aber was bedeutet das für unsere Gedankenkreisel? Solange ich bei einem falschen Gedanken, also in meinem Fall „Ich habe es geschafft, also ist es nichts besonderes und ich brauche nicht stolz sein.“, anfange, werde ich immer einen Weg finden, meine Erfolge umzudeuten und nicht stolz, ja sogar enttäuscht von mir zu sein. Egal, was ich mache oder denke, der falsche Gedanke wird immer Recht behalten. Ich habe gar keine Chance, bei diesem Gedankenkreisel als Gewinnerin hervorzugehen. Denn alles, was ich mache, ist der Beweis dafür, dass meine Leistungen nichts Wert sind.
Der einzige Weg, dem zu entkommen, ist demnach, den Ursprung (= die Prämisse) zu suchen und ihn als das zu entlarven, was er ist, nämlich als falsch. Denn natürlich bin ich auch in der Lage, „besondere“ Leistungen zu erbringen. Und selbst, wenn sie nichts besonderes sind, kann man sich über sie freuen. Bei Stolz geht es letztlich nicht darum, dass man etwas besonderes geschafft hat, sondern dass man lange an einer Sache gearbeitet hat oder dass man jetzt etwas schafft, was vorher nicht möglich war. Dabei ist egal, ob es darum geht, eine Sprache zu lernen oder morgens überhaupt aufzustehen.
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