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Mein Fazit nach 3 Jahren Therapie

  • Autorenbild: Franzi C
    Franzi C
  • 8. Nov. 2024
  • 4 Min. Lesezeit

Vor drei Jahren habe ich eine Therapie begonnen. Die nähert sich nun zügigen Schrittes dem Ende. Also wollte ich dies als Anlass nutzen, um ein Fazit zu ziehen. Was hat sich in der Zwischenzeit verändert? Wie geht es mir mittlerweile? Wo stand ich früher und wo stehe ich jetzt? Fragen über Fragen. Und hier kommt meine Antwort.


Vor drei Jahren ging es mir so schlecht wie noch nie. Ich konnte nicht mehr arbeiten und nicht mehr schlafen. Ich wusste damals sofort, dass ich aus dieser Situation nicht mehr alleine rauskomme. Also suchte ich mir professionelle Hilfe. Nach (Achtung: Ironie) nur neun Monaten Wartezeit bekam ich einen Anruf von meiner heutigen Therapeutin. Zuvor hatten mich die Therapeutinnen von einer Therapie-Richtung zu nächsten geschickt. Die Tiefenpsychologinnen meinten, ich bräuchte Verhaltenstherapie, während diese wiederum meinten, ich bräuchte tiefenpsychologische Behandlung. Es schien, als wäre es einfacher, den Passierschein A38 zu bekommen oder das Bernsteinzimmer zu finden, als eine Therapeutin, die sich meiner annimmt.


Rückblickend glaube ich, dass die anderen Therapeutinnen nur Angst hatten, sie wären meinen Problemen nicht gewachsen. Und was soll ich sagen? Nicht mal ich war meinen Problemen gewachsen. Deswegen war ich ja in dieser beschissenen Situation, andere monatelang um Hilfe anbetteln zu müssen, obwohl es für mich nichts schlimmeres gibt, als von mich von anderen abhängig zu machen.


Mein Ziel in der Therapie war, dass es mir besser gehen soll. Das Ziel ist so offensichtlich wie vage. Also was wollte ich genau? Ich wollte nicht mehr ständig von meinen Emotionen überwältigt werden. Ich wollte die ungesunden Verhaltensmuster aus meiner Kindheit durchbrechen. Ich wollte mich nicht mehr so einsam fühlen. Ich wollte mich nicht mehr selbst hassen. Kurzum: Ich wollte mein Leben so führen, als hätte meine Vergangenheit keinen Einfluss mehr auf mich.


Habe ich das geschafft? Ja.


Früher habe ich meine Emotionen unterdrückt. Sie hatten einfach keinen Platz in meinem Leben. Jedes Mal, wenn auch nur die kleinste Emotion hochkam, packte ich sie sofort ungesehen in eine Kiste, ohne mich auch nur eine Sekunde mit ihr zu beschäftigen. Ich bin die ganze Zeit vor meinen Problemen weggerannt. Und wenn man immer nur rennt und nie nach hinten sieht, merkt man gar nicht, dass die meisten Probleme gar nicht so groß sind, wie man dachte. Rückblickend fühlte sich mein Leben irgendwie flach, oberflächlich und taub an. Als wäre zwischen mir und der Realität eine kilometerlanger Graben. Die Dinge waren da, aber eben sehr weit weg von mir. So weit weg von allem konnte mich auch niemand mehr verletzen. Allerdings fühlt man sich dann auch sehr einsam.


Vor drei Jahren platzten die Emotionen zu einem denkbar ungünstigen Moment aus mir heraus, nämlich nachts um drei Uhr im Urlaub. Der Graben zwischen mir und der Realität war über Nacht verschwunden und ich sah mein Leben plötzlich nicht mehr winzig klein aus sicherer Entfernung. Ab jetzt stand ich mittendrin und sah alles in angsteinflößender Lebensgröße. Was für andere normal war, war für mich riesengroß und überwältigend. In der Zeit erlebte ich die größten Glücksgefühle, aber auch nie enden wollende Momente der Hoffnungslosigkeit. Alles war viel, mächtig und anstrengend.


Durch die Therapie gewöhnte ich mich an die Größe und die Wucht meiner Emotionen. Sie sind mittlerweile nicht mehr wie ein Monster in meinem Schrank, den man dann aus lauter Angst lieber geschlossen hält. Meine Emotionen sehe ich heute eher wie ein Haustier. Manchmal machen sie mir Freude, manchmal machen sie etwas Dreck und ich muss hinter ihnen aufräumen, aber im Großen und Ganzen ist es schön, dass sie da sind. Sie bereichern mein Leben. Denn auch, wenn es immer noch Momente gibt, in denen ich mich von ihnen erholen muss, weil sie mich wieder mit ihrer Kraft überwältigt haben, würde ich mein jetziges Leben niemals gegen mein früheres umtauschen. Ich habe lieber viele Emotionen als gar keine.


Das ist in meinen Augen auch die Aufgabe von Therapie. Es geht nicht darum, keine Probleme mehr zu haben und nie wieder traurig zu sein. Es geht darum, zu lernen, wie man zukünftige Probleme lösen kann, statt vor ihnen wegzurennen. Es geht darum, dass man nicht jedes Problem lösen kann und dass das auch in Ordnung ist. Und es geht darum, sich um all seine Emotionen rechtzeitig zu kümmern, damit sie nicht wieder irgendwann zu dem Monster in dem Schrank werden, an das man sich vor lauter Angst gar nicht mehr heran traut. Es geht darum, die eigene Hoffnung wiederzufinden, die einem abhanden gekommen ist, weil man sie wegen der ganzen Angst vor den eigenen Problemen aus den Augen verloren hat.


Wie andere jahrelang für einen Marathon ihre Beine trainieren, habe ich die letzten Jahre mein Gehirn trainiert, damit es mich den Rest meines Lebens gut durch alle Höhen und Tiefen bringen kann. Das war harte Arbeit, aber es hat sich gelohnt, denn mir gefällt, wo ich jetzt stehe. Ich bin zwar noch nicht da, wo ich hin will, aber ich weiß mittlerweile, dass ich da irgendwann ankommen werde, egal wie lange es dauert und wie anstrengend es wird.

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