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Nicht alle sind gegen mich

  • Autorenbild: Franzi C
    Franzi C
  • 17. Okt.
  • 4 Min. Lesezeit

In letzter Zeit fällt mir öfter mal auf, dass ich mich oft auf gewisse Situationen oder Gespräche vorbereite. Schon Tage vorher überlege ich, was alles schief gehen und welche Kritik ich bekommen könnte und natürlich auch, was ich dann machen oder sagen könnte, um mich zu verteidigen. Die Annahme ist dabei immer die selbe. Die Anderen werden auf jeden Fall etwas gegen mich haben und versuchen, mir das Leben schwer zu machen und mich zu attackieren.


Das war schon immer so und ich kenne das gar nicht anders. Es war ja immer normal für mich. Früher hatte ich damit ja auch Recht. Meine Eltern mochten mich nicht und haben tatsächlich versucht, mir das Leben schwer zu machen. Und das haben sie ja auch sehr lange geschafft. Aber heute sieht das alles anders aus. Nicht alle sind gegen mich, auch wenn mein Kopf das manchmal noch denkt.


Ich hatte diese Woche ein Feedback-Gespräch zu einem Jobinterview. Ich habe die Stelle nicht bekommen und wollte wissen, woran es lag. In den Tagen vor dem Feedback-Gespräch habe ich stundenlang überlegt, was ich falsch gemacht habe oder welche Aussagen mir negativ ausgelegt wurden.


Vielleicht werden Teile meiner Persönlichkeit kritisiert. Vielleicht bin ich ihnen zu sehr Einzelgängerin. Aber das ist doch Quatsch! Der Job besteht sowieso hauptsächlich daraus, die Dinge alleine abzuarbeiten. Und außerdem bin ich ja trotzdem gerne Teil eines Teams. Das habe ich denen auch gesagt. Ich mag es nur nicht, die ganze Zeit in Gruppen zu arbeiten, weil ich dann am Ende bin, die die meiste Arbeit macht. Aber so ist der Job ja gar nicht aufgebaut, also verstehe ich das Problem sowieso nicht. Das ist doch total bescheuerte Kritik! Wenn die in der Firma alle so einen geistigen Dünnschiss von sich geben, will ich da eh nicht arbeiten!!! Schwachmatenbande, ey.


Schon faszinierend, was man alles in eine E-Mail hinein interpretieren kann, in der stand: „Zu diesem Zeitpunkt erfüllen Sie unsere Anforderungen noch nicht.“ Ich steigere mich in meine erfundenen Erklärungen rein, fühle mich ungerecht behandelt und werde wütend. Dabei ist doch noch gar nichts passiert. Ich habe lediglich eine Absage bekommen. Nicht mehr und nicht weniger.


Ich glaube, ich mache das aus zwei Gründen. Zum einen versuche ich, mir die Fragen nach dem Warum selbst zu beantworten. Denn die meisten Firmen beantworten einem diese Frage nicht. Von vielen bekommt man nicht mal eine Absage. Zum anderen versuche ich mich, auf eine potenziell schwierige Situation vorzubereiten. Ich weiß ja nicht, wie das Feedback-Gespräch laufen wird. War alles komplett schlecht oder nur gerade so viel, dass es knapp nicht gereicht hat?


Und statt das Gespräch abzuwarten und diese Fragen ein paar Tage unbeantwortet in meinem Kopf herumschwirren zu lassen, denke ich mir selbst die Antworten aus. Aber natürlich nur die schlimmstmöglichen. Das versteht sich ja von selbst.


Am Ende werde ich dann immer überrascht, denn statt des Worst Case-Szenarios gab es das Best-Case-Szenario. Sie fanden mich nett, ich habe einen guten Eindruck gemacht, aber im fachlichen Teil sind mir zu viele Flüchtigkeitsfehler passiert. Das ist doch gute Kritik, mit der ich arbeiten kann. Niemand hatte etwas gegen mich und ich wurde auch gar nicht attackiert.


Mir ist in den letzten Jahren immer wieder aufgefallen, wie feindselig meine Familie mir (aber auch anderen) gegenüber war. Am Anfang meiner Therapie sollte ich mal einen Fragebogen ausfüllen. Eine der Fragen war: Wie würden Sie den Erziehungsstil Ihrer Eltern beschreiben? Meine Antwort war, dass für meine Eltern Erziehung ein Kampf war, den sie um jeden Preis gewinnen müssen. In dem Kampf war ich für meine Eltern die Gegnerin. Als würde ich alles nur aus Boshaftigkeit machen. Als wäre mein Lebensziel, sie zu quälen und sie zu ärgern.


Und tatsächlich habe ich, als ich älter war, von meinem Vater Sätze gehört wie „Man darf nicht einem weinenden Kind nicht helfen oder es trösten, denn dann bekommt es ja, was es will.“ Ja, was soll denn ein weinendes Kind schon so gefährliches wollen? Die Codes für die Atomwaffen? Die Coca Cola-Rezeptur? Die Weltherrschaft?


Ein Kind will, dass man ihm hilft, weil es sich mit 4 Jahren eben noch nicht selbst helfen kann? Dass es eine Umarmung und ein paar aufmunternde Worte bekommt, weil es mit den eigenen Emotionen noch total überfordert ist? Dass man ihm die Windel wechselt, weil es die wenigsten 1 Jahr alten Kinder von alleine können? Stimmt, das kann man auf gar keinen Fall zulassen! Am Ende fühlt sich das Kind noch sicher und geliebt bei denen eigenen Eltern.


Und so wie mir permanent unterstellt wurde, ich würde meine Eltern manipulieren und ihr Leben ruinieren wollen, gibt es einen Teil in mir, der das auch immer noch von anderen denkt. Mit dem Unterschied, dass ich diese Annahme mittlerweile nicht mehr als Fakt ansehe und anderen dementsprechend nicht mehr mit einer Anti-Haltung begegne. Das war früher anders.


Früher waren alle meine Feinde und ich war bereit, mich jederzeit gegen sie zu verteidigen. Noch heute versuche ich, mich innerlich auf einen Kampf vorzubereiten. Aber es ist ein Kampf, der niemals kommt. Als würde jemand für einen Boxkampf trainieren oder für einen Test lernen, der gar nicht stattfindet. Aber während die Person dann wenigstens einen trainierten Körper oder neues Wissen hat, verschwende ich nur meine Kraft und meine Zeit.


Ich habe schon vor einer ganzen Weile verstanden, dass mir diese Gedankenverrenkungen nicht helfen. Denn im tatsächlichen Gespräch verhält sich mein Gegenüber doch nie so, wie ich vorher dachte. Ich bin eben keine Hellseherin, habe keine telepathischen Fähigkeiten und kann auch nicht die Gedanken anderer lesen. Ich bin einfach nur eine Person, der ein falsches Menschenbild von ihren Eltern vermittelt wurde. Dadurch wird das Erraten von dem, was die Anderen sagen werden, eher wie ein Lottospiel. Dabei falsch zu tippen, ist die Norm und nicht die Ausnahme.


Was jetzt neu ist, ist das Gefühl, dass ich diese Vorbereitung nicht mehr brauche und auch nicht mehr will, eben weil ich weiß, dass sie komplett umsonst sind und ich mich hinterher nur wieder ärgern werde. Ich versuche, mir dann vor Augen zu halten, dass die andere Person mich höchstwahrscheinlich nicht fertig machen will. Noch ist es ziemlich schwer, nicht mehr in die alte Falle zu tappen, aber erfahrungsgemäß wird es mit jedem Mal einfacher. Denn im Gegensatz zu dem bisherigen Denkmuster, lohnt sich diese neue Gedanken-Übung tatsächlich irgendwann.

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