Verdrängter Neid
- Franzi C
- 21. Feb.
- 4 Min. Lesezeit
In letzter Zeit gab es ab und zu mal Gespräche, in denen ich einer Freundin von einer Situation erzählte, in der sich eine andere Person mir gegenüber seltsam verhalten hat. Meine Freundin meinte dann, vielleicht ist die Person ja neidisch auf mich. Umgedreht habe ich, wenn meine Freunde von ähnlichen Geschichten berichteten, auch schon vermutet, dass die Person mit dem rätselhaften Verhalten vielleicht einfach nur neidisch war.
Ihr müsst jetzt selber entscheiden, ob ich einfach unglaublich arrogant bin oder eben nicht. Ich würde aber von mir (und meinen Freunden) behaupten, dass wir nicht arrogant sind. Die Momente, von denen ich später dachte, dass sie sich durch ein neidisches Gegenüber erklären lassen, kann ich an einer Hand abzählen. Grundsätzlich finde ich es mittelmäßig absurd, wenn jemand neidisch auf mich ist, aber es gibt eben Situationen, da ist Neid die einzige Erklärung, die überhaupt Sinn macht. Mit der Zeit ist mir aufgefallen, dass manche Menschen sich echt seltsam verhalten, wenn sie neidisch auf andere sind. Aber warum ist das so?
Fangen wir mal vorne an. Neid an sich ist erstmal überhaupt nichts Schlechtes. Wir sehen etwas und wollen es auch. Sei es ein Auto, eine Frisur, ein Job oder eine Charaktereigenschaft. Es gefällt uns, also wollen wir die Sache auch besitzen oder so sein wie die Person. Wir sind uns dessen bewusst und können mit dem Neid auch gut umgehen. Sowas nennt sich laut Wikipedia übrigens konstruktiver Neid. Er hilft uns, unsere Wünsche zu erkennen und sie zu erfüllen. Ich war mal neidisch auf eine Freundin, weil sie schon so schön Klavier spielen konnte. Mein Neid führte dazu, dass ich sie regelmäßig bat, mir etwas vorzuspielen. Und irgendwann habe ich mir selbst ein Klavier gekauft und habe mit Musikunterricht begonnen.
Im Gegensatz dazu gibt es den destruktiven Neid. Wir können aus irgendeinem Grund nicht zugeben, dass wir neidisch sind. Trotzdem findet unser Neid einen Weg, um an die Oberfläche zu gelangen und da sein nun nicht mehr ganz so schönes Gesicht zeigen. Angewendet auf mein Beispiel, hätte ich vielleicht damals meine Freundin gebeten, mir etwas vorzuspielen, aber hätte dann ihre Spielweise kritisiert. Vielleicht hätte ich auch behauptet, dass Klavier gar kein schönes Instrument ist. Oder ich hätte sie gar erst nicht gebeten, mir etwas vorzuspielen. Oder ich hätte beim Vorspielen auf mein Handy geschaut. Ihr merkt es schon. Die Möglichkeiten sind quasi endlos.
Die Frage ist nun: Warum verhalten sich die Einen so und die Anderen so? Der Kommunikationspsychologe Schulz von Thun hat darauf eine klare Antwort: Die Einen lassen ihren Neid raus und die Anderen unterdrücken ihn.
Wenn wir unsere Emotionen, in diesem Fall Neid, zulassen, können wir offen darüber reden und darauf achten, was uns der Neid eigentlich sagen will. In meinem Fall steckte hinter dem Neid der Wunsch, selbst Klavier spielen können. Wenn ich das weiß, kann ich mir den Wunsch erfüllen und der Neid verschwindet.
Wenn wir den Neid nicht zulassen, verbannen wir ihn aus unserem Bewusstsein. Wir machen das vielleicht, weil wir nicht zugeben wollen, dass wir neidisch sind, denn dann müssten wir ja zugeben, dass jemand anderes etwas besser kann als wir. Oder wir müssten zugeben, dass wir uns irgendwann mal bewusst gegen das Klavier spielen entschieden haben und deshalb selbst Schuld an unserer eigenen Unfähigkeit sind. Oder die Person, auf die wir neidisch sind, ist unser eigenes Kind, unser Partner oder unsere Freundin, und wir schämen uns dafür, weil wir doch eigentlich eine nette Person sein wollen, die anderen ihre Erfolge gönnt.
Um unser Ego zu schützen, verbannen wir den Neid aus dem Bewusstsein. Leider verschwindet er deswegen nicht, sondern er geht in den Teil von uns, den wir nicht mehr kontrollieren können: Unser Unterbewusstsein. Da kann er schalten und walten, wie er will, ohne dass er weiter verdrängt werden kann. Einmal im Unbewussten angekommen, verwandelt er sich in etwas Destruktives. Dann fangen wir an, Dinge zu sagen wie „Noten zu lesen, scheint ja sehr einfach zu sein, wenn sogar du das kannst.“ oder „Du hast dich ja so oft verspielt. Ich dachte, du kannst besser spielen.“
Dabei sind solche Kommentare mindestens so dumm wie nutzlos. Denn anderen zu sagen, dass sie schlecht Klavier spielen, führt eben nicht dazu, dass wir selbst besser Klavier spielen können. Im Gegenteil, wir beherrschen das Instrument dann immer noch nicht UND wir waren dann auch noch gemein zu einer Freundin. Eine klassische Lose-Lose-Situation, in der beide Seiten nur verlieren können.
Bei Neid fällt es mir ziemlich leicht, auf mich zu gucken und zu überlegen, was mir das Gefühl sagen will. Bei anderen Emotionen sieht es da schon anders aus. Ich gebe zum Beispiel nicht gerne zu, wenn ich etwas falsch gemacht habe. Ich fange dann schnell an, den Fehler bei anderen zu suchen oder Ausreden zu erfinden. Erst nach meinem anfänglichen Herumgerudere kann ich anfangen, ehrlich zu mir und meinem Gegenüber sein, und überlegen, ob an der Kritik etwas Wahres dran ist.
Solche Gefühle einfach abzuschmettern und den Blick auf andere zu richten, ist natürlich leichter, als sich die eigenen Schwächen anzusehen. Solange wir andere für unsere Fehler verantwortlich machen können, brauchen wir schließlich keine Verantwortung zu übernehmen und müssen nichts an uns ändern. Erfahrungsgemäß ist das für den Moment zwar einfacher, aber auf lange Sicht macht uns das nur zu einer verbitterten Person, die grundlos ihre Mitmenschen kritisiert.
Und das Schlimme daran ist, dass wir unser Verhalten dann nicht mal mitbekommen, denn es kommt aus unserem Unterbewusstsein und ist somit unsichtbar für uns. Wenn sich die anderen von uns abwenden, wissen wir also nicht mal warum.
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