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Froher Stress

  • Autorenbild: Franzi C
    Franzi C
  • 13. Dez. 2024
  • 3 Min. Lesezeit

Jedes Jahr das Gleiche. Ich fahre für ein paar Tage zu meiner Familie, esse so viele Klöße und Rotkohl, dass mein Bedarf bis zum nächsten Jahr gedeckt ist, und fahre mit kiloweise Geschenken und total geschafft wieder nach Hause. Und so geht es nicht nur mir, sondern auch vielen meiner Freundinnen. Aber warum machen uns die Feiertage so fertig?


Vielleicht sind es die hohen Erwartungen an uns und die anderen. Während in den Weihnachtsfilmen die Menschen über die Feiertage eine mittelschwere Lebenskrise überwinden und wahlweise ihren Glauben an das Gute oder die Liebe ihres Lebens finden UND dann sogar noch ein tolles Fest haben (s. Liebe braucht keine Ferien, Tatsächlich Liebe), frage ich mich, ob meiner Cousine der von mir ausgesuchte Lipgloss wirklich gefallen wird oder ob ein dunklerer Ton doch besser gewesen wäre. Wenn ich doch nur wüsste, welche Farbpalette sie hat! Und weil mich diese zugegebenermaßen nicht lebenswichtigen Fragen so viel beschäftigen, fehlt mir natürlich die Zeit, um jetzt auch noch die Liebe meines Lebens zu finden. Tut mir leid, Oma!


Weihnachten wird immer größer und fängt immer früher an. Ab dem 1. September gibt es in allen Supermärkten Lebkuchen, ein Adventskalender kostet mittlerweile fast so viel wie ein IPhone und an jeder Ecke gibt es Glühwein, für den wir fast jeden Preis zahlen, solange uns beim Trinken nur eine billige Festtagsbeleuchtung besinnlich anstrahlt. Die damit einhergehenden Auswahlmöglichkeiten können dabei schnell überfordern und der finanzielle Belastung kann Stress auslösen. Dabei versuchen wir doch eigentlich nur, zumindest die erste Hälfte des endlosen deutschen Winters für uns erträglicher zu machen.


Ob es bei Weihnachten um die Geburt von Jesus Christus, die Vermarktung von Coca Cola oder doch nur ums Essen geht, scheint bis heute nicht so richtig geklärt zu sein. Vielleicht geht es auch nur darum, die eigenen Kontakte mal wieder durchzugehen und zu entscheiden, wer dieses Jahr noch eine „Frohe Weihnachten“-WhatsApp verdient hat.


Für mich ist Weihnachten das Fest der Familie. Langweilig, ich weiß. Aber in den Filmen freuen sich immer alle so schön, wenn sie an Weihnachten Zeit miteinander verbringen. Das ist natürlich einfach, wenn man sein Kind endlich wiedersieht, nachdem man es zuhause vergessen hat (s. Kevin allein Zuhaus), man ein Haus und die Liebe seines Lebens geschenkt bekommt (s. Wunder von Manhattan), seine gemeine Stiefmutter loswird und dafür die Liebe seines Lebens bekommt (s. Drei Haselnüsse für Aschenbrödel) oder alle im Dorf aufhören, einen auszugrenzen, und … na kommt ihr drauf … richtig, man die Liebe seines Lebens bekommt (s. Der Grinch). Wenn man stattdessen einfach nur Zeit mit der eigenen Familie verbringt, die nicht das schlechte Gewissen quält oder einem große Häuser schenkt, dann geht die große Besinnlichkeit schnell mal im Alltagsgewusel unter.


Bei uns bedeutet das: Drei Generationen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, kommen zusammen und versuchen, der familiären Tradition ihren persönlichen Anstrich zu geben und zu erraten, was die andere Person sich wünscht. Und je größer die Familie, desto mehr wird das Auspacken der Geschenke zum abendfüllenden Event. Die Grenze zwischen Freude und dem Auspack-Burn-out ist dabei sehr schmal und oft nicht mal mehr mit bloßem Auge zu erkennen.


Mit einem anderen Teil meiner Familie ist es hingegen seit einigen Jahren Tradition, dass wir uns nichts mehr schenken und einfach beisammen sind, Filme sehen und abends Ofenkäse mit Gemüse essen. Mit meinen Freunden tausche ich höchstens die schon erwähnte Weihnachts-WhatsApp aus. Fernab von allen Erwartungen, Rechnungen und Geschenkpapier lebt es sich erstaunlich besinnlich. Vielleicht geht es bei Weihnachten am Ende doch nur darum, im selbst gestrickten Pullover gemeinsam Schach zu spielen (s. Harry Potter und der Stein der Weisen)…

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